: Die große Kompromissnummer von CDU und SPD
■ Mit ihrem Spar- und Privatisierungskurs hat Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) die zweite Große Koalition geprägt. Die CDU-Senatoren glänzten durch eine autofixierte Verkehrspolitik, Reißwolfaffären und eine rigidere Flüchtlingspolitik
Es ist paradox: Die zweite Große Koalition von 1995 bis 1999 hat mehr erreicht als in ihrer ersten Legislaturperiode, und doch ist ihr Ansehen in der Öffentlichkeit denkbar schlecht. Anders als in Bremen haftet der Berliner Großen Koalition nicht gerade der Ruf eines Erfolgsmodells an. Denn viele Entscheidungen fielen erst am Ende langer, quälender Streitereien der Koalitionspartner. Das zweite Paradoxon: SPD-Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing, die den finanzpolitischen Kurswechsel der Koalition eingeleitet hat, steht nicht nur unter Dauerbeschuss der CDU, sondern hat auch in den eigenen Reihen an Rückhalt verloren. Die Ursache: Ihr ist es nicht gelungen, ihre Sparpolitik mit sozialdemokratischen Zielen zu verbinden. Zu oft entstand der Eindruck, sie verfolge ihren Sparkurs nur um des Sparen willens.
Unter ihrem Vorgänger Elmar Pieroth (CDU) hatte die Große Koalition bis Ende 1995 einen Schuldenberg von 42 Milliarden Mark angehäuft. Fugmann-Heesing leitete eine Haushaltskonsolidierung ein und setzte gegen starke Widerstände auch in der SPD drei große Privatisierungsvorhaben durch: die Bewag wurde 1997 verkauft, ein Jahr später die Gasag. Im Frühjahr 1999 folgte die Teilprivatisierung der Wasserbetriebe, die aber noch nicht vollzogen ist, weil beim Verfassungsgericht eine Klage von Grünen und PDS anhängig ist. Alle drei Privatisierungsvorhaben wurden von der CDU mit gezielten Querschlägen begleitet.
Die Berliner haben den Sparkurs auch am eigenen Portemonnaie zu spüren bekommen: So verdoppelten sich die Eintrittspreise der Schwimmbäder fast. Trotzdem stößt Fugmann-Heesings Sparkurs in Umfragen auf hohe Zustimmung.
Treibende Kraft war die SPD nicht nur bei der Haushaltskonsolidierung, sondern auch bei der Bezirks- und Verwaltungsreform. Die Fusion von Nachbarbezirken reduziert die Zahl der Bezirke im Jahr 2001 von 23 auf 12. Die Verwaltung soll dadurch schlanker und effizienter werden.
Ein weiterer Erfolg, der vor allem auf das Konto von Umweltsenator Peter Strieder (SPD) geht, ist das Quartiersmanagement, mit dem soziale Brennpunkte stabilisiert werden sollen. So genannte Quartiersmanager sollen gemeinsam mit den Bewohnern Maßnahmen entwickeln, um Problemkieze wieder lebenswerter zu gestalten. Konkrete Erfolge sind allerdings erst langfristig zu erwarten.
Das konfliktträchtige Vorhaben der Krankenhausreform konnte CDU-Gesundheitssenatorin Beate Hübner wider Erwarten durchsetzen. Bis zum Jahr 2005 muss die Zahl der Krankenhausbetten um 4.000 auf 22.000 verringert werden. Dabei werden 8.000 Arbeitsplätze verloren gehen.
Auf das Konto des Innenressorts gehen die meisten Skandale: CDU-Innensenator Eckart Werthebach hat den ungenügenden Schutz des israelischen Generalkonsulats zu verantworten. Als im Februar eine Gruppe von Kurden das Gebäude aus Protest gegen die Verhaftung von PKK-Führer Öcalan stürmte, wurden vier von ihnen von israelischen Sicherheitskräften erschossen. Für Aufsehen sorgte auch die „Reißwolfaffäre“: Verfassungsschutzchef Eduard Vermander vernichtete einen Aktenvermerk, der Werthebachs Darstellung der Sicherheitsvorkehrungen widersprach. Auch die Reform des skandalgeschüttelten Verfassungsschutzes glückte Werthebach nicht.
Die SPD hat sich in der Inneren Sicherheit zu einer Reihe von Formelkompromissen nötigen lassen: Sie stimmte der Einführung „lagebildabhängiger verdachtsunabhängiger Kontrollen“ zu. Damit kann jeder Bürger auf Anordung des Polizeipräsidenten auch ohne Vorverdacht kontrolliert werden. Die SPD stimmte außerdem der Umwandlung der umstrittenen Freiwilligen Polizeireserve in einen Freiwilligen Polizeidienst zu, anstatt die schlecht ausgebildeten Hilfssheriffs abzuschaffen.
Auch in der Ausländerpolitik konnte die CDU eine härtere Gangart durchsetzen: Senatorin Hübner erreichte mit ihrer Bundesratsinitiative eine Verschärfung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Flüchtlingen, denen die Sozialämter unterstellen, dass sie nur aus wirtschaftlichen Gründen eingereist sind, können jegliche Leistungen verweigert werden. Als weiteren Abschreckungseffekt forciert Hübner in Flüchtlingsheimen die Verpflegung mit Fertigmahlzeiten.
Aus der Perspektive der Autolobby kann Verkehrssenator Jürgen Klemann (CDU) mit seinem Straßenausbauprogramm als erfolgreicher Verkehrssenator gelten. Das erklärte Senatsziel, den Anteil des innerstädtischen Verkehrs auf 20 Prozent zu reduzieren und den Anteil des öffentlichen Nahverkehrs auf 80 Prozent zu steigern, wurde nicht im entferntesten erreicht. Anstatt den öffentlichen Nahverkehr zu stärken, wurde dieser durch ständige Preiserhöhungen unattraktiver. Das Ergebnis: eine Zunahme des Autoverkehrs und mehr Staus.
Mager fällt die Bilanz auch in der Wirtschaftspolitik aus: Berlin ist das einzige Bundesland, dessen Wirtschaftswachstum im vergangenen Jahr abgenommen hat. Die Hauptstadt belegt noch hinter Mecklenburg-Vorpommern den letzten Platz der Bundesländer – eine blamable Bilanz für den amtsmüden CDU-Senator Elmar Pieroth, der vor einem Jahr von Wolfang Branoner abgelöst wurde.
Rückschläge musste aber auch Finanzsenatorin Fugmann-Heesing einstecken: Den Liegenschaftsfonds, in dem landeseigene Grundstücke im Milliardenwert zusammengefasst werden, musste sie auf den Sommer 2000 verschieben.
Das größte Fiasko des Senats ist die vorerst gestoppte Privatisierung des internationalen Großflughafens Schönefeld. Federführend bei dem Projekt war die Senatskanzlei und damit der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen. Ihm ist es allerdings gelungen, dass dieser Misserfolg in der Öffentlichkeit eher der Finanzsenatorin als ihm selbst angelastet wird. Dorothee Winden
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