Das Proseminar als Download

■ Mehr Internet, weniger Poststrukturalismus, keine Erstsemester. Online-Studying – ein Traum von einer Uni

Die Vernetzung von allem mit jedem schreitet voran. Diese Erkenntnis ist nicht originell, aber wahr. Die Universität bleibt keineswegs zurück. Intranet und Server im Rechenzentrum, Computer auf jedem Schreibtisch belasten durch Stromgebühren die Kassen der Lehranstalten erheblich. Und selbst die älteren Professoren, die sonst in der Mensa nicht einmal einen Kaffee aus dem Automaten holen können, haben sich einen E-Mail-Account – „heißt das nicht so, Frau Briese?“ – einrichten lassen. Wahrscheinlich, weil ihnen jemand erzählt hat, in Amerika hätten das alle Dozenten.

Jedesmal wenn jemand sagt: „In Amerika gibt es das schon“, durchschaudert es den klar denkenden Menschen. Meist folgt danach die umständliche Beschreibung eines nutzlosen Apparates oder der neuesten Trendsportart mit -ing am Ende. Die wirklich sinnvollen Ideen wurden im christlichen Abendland erdacht. Zum Beispiel die Universität zum Runterladen. Rationalität, Effizienz und Ressourcenschonung sind Stichworte, die alle überzeugen.

Das Grundstudium wird komplett zu Hause gemacht. Audiovisuell schön gestaltete Kurse, zum Download vorbereitet, ersetzen den Dozenten. Die StudentInnen müssen keine Veranstaltungen wie „Einführung in die germanistische Linguistik“ oder „Analytische Chemie II“ mehr absitzen. Die zugehörigen Übungen und Prüfungen werden selbstverständlich auch vom heimischen Schreibtisch aus erledigt: Multiple-Choice-Fragebögen lassen sich schnell und bequem auswerten.

Die Professoren müssen nicht mehr allsemesterlich die gleiche Vorlesung halten. Keine Sätze mehr wie: „Für Poststrukturalismus nehme man die Prager Schule, vermische sie französischem Hampelpampel und hebe vorsichtig eine Hand voll Dekonstruktion unter.“ Oder: „Natrium reagiert mit Wasser heftig, und wer seine Hand in konzentrierteSchwefelsäure legt, hat nicht aufgepasst und nicht mehr viel Freude an ihr.“

Die Vorteile liegen auf der Hand: Störende Erstsemester tauchen gar nicht mehr auf. Die Räume werden leerer, das Essen in der Mensa besser. Professoren und Studierende können sich auf die Hauptseminare konzentrieren. Weniger Verwaltung, mehr Nachdenken. Eine bessere Universität dank Online-Studying. Zu schlimm, um nicht bald wahr zu sein. Stephanie Briese