■ Biotechnica 99 zeigt Tendenzen in der Branche: Gefragt sind vor allem Analysefirmen

Hannover (taz) – Das Umfeld für die Biotech-Industrie in Deutschland ist ideal. In kaum einem anderen Land finden junge Firmengründer derzeit so günstige Fördermöglichkeiten vor wie hier, schreibt das US-Fachblatt Genetic Engineering News (GEN) in seiner neuesten Ausgabe.

In Europa habe Deutschland bei der Anzahl von Biotechnologie-Unternehmen seine zweite Position hinter Großbritannien gefestigt, verkündete Forschungsministerin Edelgard Bulmahn Anfang der Woche in Hannover zur Eröffnung der Biotechnica 99. Von den rund 1.200 kleineren und mittleren Biotech-Unternehmen seien, so Bulmahn, 222 in Deutschland ansässig. Während der Zuwachs im europäischen Durchschnitt bei 14 Prozent liege, „beträgt er in Deutschland 28 Prozent“, sagte sie auf der Leistungsschau der Biotech-Branche, die am Donnerstag zu Ende ging.

Während in den USA junge Biotechfirmen derzeit nur mit Mühe Risikokapital aufnehmen können, ist die Situation in Deutschland umgekehrt. Über eine halbe Milliarde Mark an privatem Venture-Kapital steht zur Verfügung. Was noch fehlt, sind die Wissenschaftler, die überhaupt eigene Firmen aufbauen wollen.

In den USA dagegen hat der schon vor fünfzehn Jahren einsetzende Biotech-Gründerboom 1998 und 1999 zu einem „ausgeprägten Preisverfall“ geführt. „Viele Investoren – Venture-Capital-Gesellschaften ebenso wie institutionelle Anleger – waren enttäuscht über die bisher von der noch jungen Branche erzielten Erträge“, erklärt Helmut Schühsler, Finanzexperte beim Münchener „Techno Venture Management“, die Situation in den USA.

Ein Wermutstropfen für die Biotech-Branche ist auch die fehlende Akzeptanz der Verbraucher für gentechnisch veränderte Lebensmittel. Der von den großen Chemiefirmen dominierte Agrarsektor scheint der einzige Bereich zu sein, an dem der Biotech-Boom derzeit vorbeigeht. Konzerne wie Monsanto oder DuPont, die vorwiegend auf gentechnisch veränderte Pflanzen setzen, kommen sogar zunehmend in Bedrängnis.

Aber wo es Verlierer gibt, ist fast immer auch ein Sieger zu finden. Hier gibt es gleich zwei: zum einen den Verbraucher, dem immer mehr das Recht zugestanden wird, auch Informationen darüber zu erhalten, was ihm da eigentlich serviert wird. Der andere Gewinner ist die Analyse-Branche, die im Auftrag von Lebensmittelfirmen, aber auch von Umweltverbänden, Greenpeace vor allem, Saatgut und Nahrungsmittel dahingehend überprüfen, ob sie gentechnisch verändert wurden oder Bestandteile von genmanipulierten Organismen enthalten.

In Hannover waren sie so zahlreich vertreten wie nie zuvor: Congen zum Beispiel, eine junge Firma aus Berlin-Buch, stellte einen Analyse-Kit für den Nachweis von insektenresistem Bt-Mais und herbizidresistenten Sojabohnen vor. Das vor zwei Jahren von zwei Molekulargenetikerinnnen gegründete Institut GEN-IAL, Troisdorf, lockt Kunden mit „schnelleren und präziseren Analysen“. Der TÜV Nord bietet „Zertifikate für Lebensmittel mit und ohne Gentechnik“ an. Marktführer in Deutschland ist die aus dem Zusammenschluss von vier Unternehmen hervorgegangene Aktiengesellschaft GeneScan Europe mit Sitz in Freiburg. „Wir decken etwa 80 Prozent des Marktes ab“, erklärt Ulf-Peter Rausch, Vertriebsleiter bei GeneScan. Mittelweile hat das Unternehmen Niederlassungen in fünf europäischen Staaten, den USA und Australien. Als nächstes wird es wahrscheinlich einen DNA-Chip auf den Markt bringen, mit dem gleichzeitig nach mehreren Genveränderungen gefahndet werden kann – vorerst nur bei Lebensmitteln. Langfristig wollen die Freiburger in die Humandiagnostik einsteigen und einen „Beitrag zur Früherkennung von Krankheiten liefern“. In diesem Bereich sind auch weitaus höhere Umsätze zu erwarten. Wolfgang Löhr