Grüne schlüpfen in Mompers Schlappen

■  Grüne verlieren laut erster Prognose fast ein Viertel der Stimmen. Gewinner sind wie erwartet CDU und PDS, die jeweils fast 4 Prozent gewinnen. SPD sackt weiter ab und startet Debatte um Neuauflage der Großen Koalition

Bei der gestrigen Landtagswahl hat sich die SPD überraschend gut gehalten. Nach ersten Prognosen muss sie nur mit leichten Verlusten rechnen und kommt auf etwa 23 Prozent. Größter Verlierer waren die Grünen, die mit etwa 3 Prozent fast ein Drittel ihrer Stimmen gegenüber der Wahl von 1995 verloren haben.

Erwartungsgemäß konnten CDU und PDS jeweils fast 4 Prozentpunkte zulegen. Die PDS konnte vor allem im Westteil der Stadt zulegen. Hier kam sie auf etwa 4,5 Prozent. Insgesamt wurden ihr über 18 Prozent prognostiziert. Die CDU baute ihren Vorsprung aus und kommt nun auf 41 Prozent.

In der SPD herrscht gestern Abend verhaltene Freude über die erste Wahlprognose. Thomas Härtel, Mitglied des SPD-Landesvorstandes, sagte, „das Ergebnis ist besser als erwartet, aber es ist kein Grund zur Euphorie“. Er ergänzte, „es wird mit Sicheheit eine Debatte geben, ob die SPD erneut in eine Große Koalition eintritt“. Die Debatte sei ein weitgehend ergebnisoffen und werde nicht einfach sein. Wenn seine Partei erneut in eine Große Koalition eintrete, müssten die SPD-Senatoren ihre Arbeit aber besser darstellen.

Auch Finanzstaatssekretär Frank Bielka erwartete eine längere Debatte darüber, ob die SPD erneut mit der CDU koalieren solle. Er selbst sprach sich dafür aus, dass sich die SPD an einer stabilen Regierung beteiligt. „Die 23 Prozent können uns nicht zufrieden stellen, wir sind nochmals abgerutscht.“ Die Frage ob SPD-Spitzenkandidat Walter Momper in den Senat eintritt, galt noch als offen. Dies hänge nicht zuletzt auch davon ab, welche Ressorts die SPD übernehmen werde.

Andreas Schulze, Landesvorstandssprecher der Grünen, erklärte zu den 10,5 Prozent für seine Partei: „Wir hatten uns darauf eingerichtet, dass wir den Bundestrend nicht komplett abfedern können. Aber wir hatten gehofft, dass er nicht so stark auf das Ergebnis in Berlin durchschlägt.“

Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Wolfgang Wieland, erklärte, nun seien auf Bundesebene radikale Änderungen nötig. Die grüne Programmatik müsse geschärft werden. Fischer könne nicht länger wie ein Sputnik um die Partei kreisen, dass muss anders werden. „Es war wichtig, das Sparpaket der Bunderegierung aus dem Wahlkampf herauszuhalten“, sagte Wieland, aber in der Bundesregierung müsse es jetzt eine Kursänderung hin zu einer sozialeren Politik geben. Auch die Grünen müssten stärker deutlich machen, dasss sie sich für soziale Gerechtigkeit einsetzen.

Im Metropol-Theater, bei der Wahlparty der Grünen, lächelte keiner, daran konnten die Sonnenblumen und grünen Luftballons auch nichts ändern. Nach den ersten Prognosen liegen die Grünen nur noch bei 10,5 Prozent, im Osten sind es sogar nur 6,5.

„Damit sind wir natürlich nicht zufrieden“, sagte die Sprecherin des Landesverbandes, Regina Michalik: „Die bundespolitische Debatte hat alles überdeckt.“ Die Menschen hätten sich nicht mehr für Berlin interessiert, sondern nur noch für die Rentenreform. Auch der Kosovo-Krieg habe noch nachgewirkt. „Unsere alten Stammwähler sind nicht mehr zur Wahl gegangen. Die gehen jetzt überhaupt nicht mehr wählen.“

Nur die immer fröhlich und gut gelaunte Gesundheitsministerin Andrea Fischer versuchte die Berliner Grünen zu trösten: „Ihr habt hart gekämpft.“ Doch bei einer so schlechten Berliner SPD sei es schwierig gewesen, rot-grüne Perspektiven in Berlin aufzuzeigen.

Bei der Feier der PDS gab es hingegen immer wieder aufbrausenden Jubel, da sich die Partei deutlich verbessern konnte. Besondere Begeisterungsstürme lösten die ersten Hochrechnungen aus dem Westteil der Stadt aus. Dort konnte die PDS den Prognosen zufolge ihren Stimmanteil mit 4,6 Prozent mehr als verdoppeln. Parteichef Lothar Bisky sprach von einem „besonders wichtigen Schritt nach Westen“.

Fraktionsvorsitzende Carola Freundl sagte: „Die PDS wird immer mehr als Partei der sozialen Gerechtigkeit wahrgenommen.“ Aber auch die Bundespolitik sei für den Wahlausgang wichtig gewesen.

Und der Abgeordnete Steffen Zillich freute sich schlichtweg: „wunderbares Ergebnis“. Bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus 1995 hatte die PDS in der gesamten Stadt ein Ergebnis von 14,6 Prozent erzielt. ges/sand/win/nau