Unter Ausschluss der Öffentlichkeit

Zwei Millionen Menschen hat der angolanische Bürgerkrieg in die Flucht getrieben. Aus den Kriegsgebieten dringen nur Gerüchte. Eine Hungerkatastrophe droht  ■   Von Kordula Doerfler

Die Meldungen versprachen eine Sensation. Die Regierungstruppen in Angola hätten Bailundo und Andulo im zentralen Hochland erobert. Die beiden Provinznester sind die Hochburgen von Unita-Chef Jonas Savimbi. Wäre Präsident Eduardo dos Santos' Generälen dies tatsächlich gelungen, hätte das eine Wende im endlosen Bürgerkrieg bedeutet.

Doch die Meldung war – wieder einmal – voreilig. Angolas Bürgerkrieg ist auch ein Propagandakrieg, mit wechselseitigen Unterstellungen und Falschmeldungen. Unabhängige Berichte gibt es nicht. Der Krieg findet unter Ausschluss der Weltöffentlichkeit statt und ist von Europa und den USA längst vergessen.

Schon Anfang des Jahres verhängte Präsident Eduardo dos Santos eine Nachrichtensperre, und wer in den ohnehin überwiegend staatlichen Medien Missliebiges berichtet, wird verhaftet und tagelang verhört. Sicher ist nur eines: Die Zivilbevökerung flieht zu hunderttausenden.

In Unita-Gebiete, mehr als 70 Prozent des Landes, kommt kaum noch jemand hinein. Selbst Berichte über die militärische Situation stammen meist von den Mitarbeitern der Hilfsorganisationen, die in den noch von der Regierung gehaltenen Provinzhauptstädten die hunderttausenden von Flüchtlingen versorgen. Und die wiederum beziehen ihr Wissen von den Flüchtlingen.

Kein Wunder, dass in der Hauptstadt, die schon seit Monaten vollkommen abgeschnitten vom Rest des Landes ist, vor allem Gerüchte regieren. Gerüchte von Unita-Massakern an Zivilisten, aber auch von tödlichen Überfällen der Regierungstruppen auf Flüchtlinge und Hilfstransporte.

Der Wiederausbruch des Krieges bedeutet für die Zivilbevölkerung eines Landes, das schon seit mehr als 30 Jahren nichts anderes kennt als Krieg, neues unermessliches Leiden. Das allerdings schert weder Unita noch die Machtclique um dos Santos in der Hauptstadt. Beide verfügen über genug Geld, um den Krieg endlos weiter zu führen. Militärisch gewinnen aber lässt sich der Krieg kaum.

Zwei Millionen Menschen, jeder fünfte Angolaner, sind nach UN-Angaben im eigenen Land auf der Flucht. In den belagerten Provinzhauptstädten im Landesinneren herrschen unbeschreibliche Zustände. Auf dem Landweg sind sie nicht erreichbar, denn die Straßen sind vermint. Nur die Lebensmittel, die die UN einfliegen lässt, konnten bisher eine Hungerkatastrophe verhindern.

Besonders angespannt ist die Lage im umkämpften zentralen Hochland. Die Provinzhauptstädte Malanje, Kuito und Huambo, alle drei seit Monaten von Unita belagert, sind nach Angaben der Hilfswerke von Flüchtlingen völlig überfüllt. Allein nach Kuito, das schon seit Beginn der 90er-Jahre fast vollkommen zerstört ist, haben sich nach Beginn der Großoffensive in der letzten zwei Wochen mehr als 40.000 Menschen geflüchtet. Nach Schilderung von Mitarbeitern der Hilfswerke sind viele von ihnen so entkräftet, dass sie kaum noch gehen können. „Wir kochen rund um die Uhr, um die Flüchtlinge zu versorgen“, sagt eine Mitarbeiterin des Welternährungsprogramms der UNO.

Mehr als 200.000 Menschen sollen derzeit in der seit Anfang des Jahres belagerten Stadt leben, das sind mehr als doppelt so viele wie zu Friedenszeiten. Rund 70.000 hausen außerhalb der Stadt in Lagern aus Strohhütten. Mit der Regenzeit, die in diesen Tagen beginnt, so wird befürchtet, werden die meisten Hütten im Schlamm versinken oder schlicht weggeschwemmt. „Es gibt nicht einmal genug Gras, um Hütten zu bauen, geschweige denn Zelte“, berichtet ein Mitarbeiter des Roten Kreuzes.

Doch auch die ansässige Bevölkerung hungert. Da die Ernte wegen des Krieges auch in diesem Jahr ausfallen wird, versuchen auch die Stadtbewohner von den eingeflogenen Hilfsgütern etwas abzubekommen, indem sie sich als Flüchtlinge ausgeben. In Huambo etwa waren mehr als 90 Prozent der schwangeren Frauen, die im September bevorzugt Hilfe erhalten sollten, tatsächlich Einwohner der Stadt, wie die UNO feststellte.

Wer es schafft, versucht weiter an die Küste zu fliehen und von dort nach Luanda. Auch die Bevölkerung der Hauptstadt hat sich in den vergangenen Monaten vervielfacht. Die Portugiesen haben die einstmals wunderschöne Hafenstadt für einige hunderttausend Bewohner gebaut. Heute leben dort drei bis vier Millionen Menschen – ein Drittel der Landesbevölkerung. Kordula Doerfler