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■ PorträtMilt Jackson

Eigentlich wäre Milt Jackson, der am 1. Januar 1923 in Detroit geboren wurde, gern Sänger geworden. Und tatsächlich gehörte er in seiner Heimatstadt einmal zum schwarzen Gospelquartett „Evangelist Singers“ . Das war Ende der Dreißigerjahre. Aber der Karrierekick gelang ihm mit etwas anderem: Er schaffte es, sein Vibrafon so zu manipulieren, dass es mit einem bis dahin ungehört weichen, vollen Sound klang.

Milt Jackson Foto: Q-west

Vor Jackson gab es eigentlich nur zwei Vibrafonisten auf der Szene, Lionel Hampton und Red Norvo. Jackson orientierte sein Spiel an den fließenden Linien eines Blasinstruments und der menschlichen Stimme. Dizzy Gillespie machte ihn zum Star seiner Big Band, und Jackson wurde der erste Bebop-Musiker am Vibrafon.

Von dem umfangreichen Plattenwerk Jacksons haben Chronisten wiederholt behauptet, dass keine wirklich schlechten Aufnahmen je veröffentlicht wurden, sondern – im Gegenteil – Jackson immer ein Garant für ein hohes Spielniveau und pure Soulfulness gewesen sei. Zu den Highlights zählen Jacksons Aufnahmen mit Theloniuos Monk von 1951. Aus der Endvierziger-Rhythmus-Gruppe der Gillespie-Band wurde kurz darauf eine der erfolgreichsten Bands der Jazzgeschichte: das Modern Jazz Quartet. Eine Gentlemen-Band für alle Fälle.

Die Vision, Jazz den Weg auf klassische Bühnen zu ebnen und Jazzmusiker mit klassischen Ensembles zusammen aufführen zu lassen, kam der Realisierung nie mehr so nah wie zu der Zeit des Modern Jazz Quartet. Kurz: Es ging um Respekt. Und dieses Jazzquartett erkämpfte sich die Anerkennung, die der Jazz im Kanon der so genannt großen Kunstwerke als eigenständige Leistung haben sollte. Die Mittel: afroamerikanische Eleganz, komplexe Virtuosität und die Hauptingredienzien der Black Culture – Blues und Swing. Für eine Spartenband erreichte das Modern Jazz Quartet ein breites Publikum und war fast zwanzig Jahre lang ungemein populär. Mitte der Siebziger löste sich die Band auf Jacksons Initiative hin auf. Spätere Wiederbelebungsversuche auf Teilzeitbasis verliefen im Belanglosen. Zu den wichtigsten „jüngeren“ Jackson-Aufnahmen zählen die sehr bluesorientierte CD mit dem programmatischen Titel „Ain't But a Few of Us Left“ mit Oscar Peterson, Ray Brown und Grady Tate von 1981 und die „Very Tall Band“ mit Brown und Peterson, ein letztes Meeting der drei prägenden Jahrhundertswinger, die dieser Tage erscheint. Jackson starb am 9. Oktober in einem New Yorker Krankenhaus an Leberkrebs.

Christian Broecking

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