Waren Indiens Atomtests nur vorgetäuscht?

■ Premier Vajpayee knüpft den Beitritt zum CTBT an politische Zugeständnisse der USA

Delhi (taz) – Hat Indien im Mai 1998 fünf Atomsprengköpfe zur Explosion gebracht – oder waren es nur zwei, weil die zweite Serie ein Misserfolg wurde? Ein Bericht der New York Times vom Sonntag zitierte US-amerikanische Experten, die starke Zweifel an den Tests vom 13. Mai äußerten, denn man habe keine Erschütterungen messen können. Auch die Behauptung der Inder, bei der ersten Testserie zwei Tage zuvor sei eine Wasserstoffbombe gezündet worden, sei deshalb unglaubwürdig.

Die Veröffentlichung des Berichts wird als Versuch angesehen, den Widerstand der Republikaner gegen den Atomteststopp-Vertrag (CTBT) zu entkräften. Diese erheben unter anderem den Vorwurf, die Überwachungsinstrumente für Atomtests seien nicht zuverlässig. Nicht die Instrumente haben versagt, so der Artikel, sondern die Tests selbst seien fehlgeschlagen.

Dieser Bericht und frühere, ähnlich lautende Zweifel über die pakistanischen Versuche werden in beiden Ländern die Diskussion um den Beitritt zum Abkommen über einen Atomteststopp zweifellos neu anheizen. Nach den Versuchen vom Mai 1998 erklärten sowohl Indien wie auch Pakistan, mit den erfolgreichen Tests sei die Entwicklung einer minimalen nuklearen Abschreckungskapazität gewährleistet. Beide zeigten sich grundsätzlich bereit, dem CTBT beizutreten.

Allerdings mochten beide Länder dies nicht bedingungslos tun. Beide fordern eine vollständige Aufhebung der nach den Atomversuchen verhängten Wirtschaftssanktionen der USA. Pakistan machte den Beitritt zudem von jenem Indiens abhängig und versuchte in Verhandlungen mit Washington, die USA zur Aufhebung ihres Lieferverbots von Waffen – dem sogenannten Pressler Amendment – zu bewegen. Indien soll bei geheimen Außenministerverhandlungen ebenfalls versucht haben, seine Zustimmung zum CTBT mit einer Lockerung bei der Einfuhr sogenannter„Dual Use“-Technologie zu erkaufen.

Die Clinton-Administration gab sich nach außen unnachgiebig und ließ verlauten, beim CTBT gehe es um eine Unterbindung der Weiterverbreitung von Atomwaffen. An ihr müssten alle Länder, und besonders jene in einer Krisenregion wie Indien und Pakistan, ein vitales Interesse haben. Diese Sicht wird auch von Experten in den beiden asiatischen Ländern geteilt. Die kürzliche Veröffentlichung eines Entwurfs der indischen Nukleardoktrin erkennt die Notwendigkeit einer indischen Unterschrift an – trotz der aggressiven Rhetorik, die das Dokument im Übrigen durchzieht.

Dennoch gibt es selbst unter den indischen Atomgegnern viele, die im Beitritt zum CTBT eine Annahme des Diktats der fünf großen Atommächte sehen. Denn diese hätten inzwischen so viel Erfahrung mit Tests, dass sich eine Weiterentwicklung ohne unterirdische Versuche bewerkstelligen lasse. Indien dagegen fehlen nach dieser Darstellung noch viele Parameter für eine computersimulierte Weiterentwicklung.

Indien befürchtet, ein Atomteststopp könnte das Gefälle zwischen den fünf großen Atommächten und den übrigen Nationen wieder vergrößern – dies vor allem im Blick auf China. Dessen atomare Aufrüstung war von Premierminister Vajpayee im letzten Jahr als eigentlicher Grund für Indiens Atomtests bezeichnet worden.

Bernd Imhasly