Braucht das Wattenmeer mehr Schutz?

Diese Woche wird entschieden, ob und wo im Wattenmeer künftig die Fischerei und andere Aktivitäten verboten sind. Grundlage für die Entscheidung liefert ein 10-jähriges Projekt der Öksystemforschung  ■   Von Vera Stadie

In dieser Woche will die schleswig-holsteinische Landesregierung eine heiß umkämpfte Gesetzesänderung verabschieden: die Novelle des Nationalparkgesetzes. Mit der neuen Regelung soll unter anderem der Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer seeseitig erweitert werden und die Kernzone einen neuen Zuschnitt erhalten. Vor Sylt und Amrum wird ein Walschutzgebiet eingerichtet und ein 12.500 Hektar großes Wattgebiet zwischen den Inseln Sylt und Föhr als Nullnutzungszone deklariert werden. Hier sollen künftig Fischerei und andere Aktivitäten verboten sein.

Die Fischer protestieren gegen diese Einschränkungen. An der Westküste stehen sich Umweltschützer und „Umweltnutzer“ mittlerweile unversöhnlich gegenüber. Den Umweltschützern gehen die geplanten Regelungen nicht weit genug. Sie fordern die Einrichtung von nutzungsfreien Bereichen (Nullnutzungszonen) im Nationalpark, die jeweils einen kompletten Wattstrom samt der dazugehörigen Priele und Wattflächen umfassen. Nur in solchen Schonbezirken könnten sich Lebensgemeinschaften, die aus dem Watt verschwunden sind, wie Austernbänke, Sandkorallenriffe und tief liegende Seegraswiesen, wieder ansiedeln, erläutert der Biologe Lothar Koch von der Schutzstation Wattenmeer. Die geplante Nullnutzungszone südlich des Hindenburgdammes würde diese Bedingungen nicht erfüllen.

Hans-Ulrich Rösner vom World Wide Fund for Nature (WWF) bemängelt an dem Gesetzentwurf vor allem, die „Zugeständnisse an die Muschelfischerei“. Die sei zwar künftig auf den trockenfallenden Wattenflächen generell und in der Kernzone des Nationalparkes auch im ständig wasserbedeckten Bereich verboten. „Aber bei der Linienführung der Kernzone scheinen Muschelfischer mit am Tisch gesessen zu haben“, meint der Umweltschützer. Anders könne er sich nicht erklären, dass zahlreiche Priele aus der Kernzone herausgenommen wurden. Dort wären dann Saatmuschelfischerei und das Anlegen von Muschelkulturen zugelassen.

Fischerei im Wattenmeer bedeutet heute vor allem Krabben- und Muschelfischerei und gemischte Küstenfischerei mit modernen Mehrzweckkutter, die von Garnelen- auf Plattfischfang (den Fang von Schollen und Seezungen) umgerüstet werden können.

Inwieweit greift die Fischerei ins Ökosystem ein? Wie kann eine nachhaltige Krabben- und Muschelfischerei aussehen? Mit diesen Fragen beschäftigte sich das Großforschungsvorhaben „Ökosystemforschung Wattenmeer“, das am 1. 6. 1989 an der Westküste Schleswig-Holsteins begann. Ziel des interdisziplinären Projektes war es, umfangreiche wissenschaftliche Daten über das Ökosystem Wattenmeer zu sammeln, auf deren Grundlage ein Nationalparkplan erarbeitet werden kann: ein Plan, wie der 1985 gegründete Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer geschützt und im Einklang mit traditionellen Nutzungen weiterentwickelt werden kann. An diesem Projekt haben erstmalig in der Wattenmeerregion Naturwissenschaftler – Biologen vom Landesamt für den Nationalpark –, Wirtschaftswissenschaftler und die zuständige Naturschutzbehörde zusammengearbeitet. Im September 1996 legten sie den Synthesebericht „Ökosystemforschung Wattenmeer“ vor, demnächst wird der Gesamtsynthesebericht erschienen, der die Ergebnisse der 10-jährigen Ökosystemforschung in Niedersachsen und Schleswig-Holstein zusammenfasst. Beide Berichte befassen sich ausführlich mit Muschel- und Garnelenfischerei im Wattenmeer.