■ Kommentar
: Die Welt bekommt Falten  Die globale Bevölkerung wird immer älter

Wir sind wieder mehr geworden. Gestern hat UN-Generalsekretär Kofi Annan das „sechsmilliardste“ Baby der Erde in Sarajevo begrüßt. Ob es das wirklich ist, ist egal. Angekündigt wurde die Überschreitung der Sechs-Milliarden-Grenze schon vor Wochen. Und seit Jahren basteln Enwicklungshelfer an Familienplanung und Geburtenreduzierung.

Aber beim starren Blick auf die sechs Milliarden wird etwas anderes oft vergessen: Die Menschen werden immer älter, und der Anteil der Alten an der Weltbevölkerung wächst so schnell wie nie zuvor. 1999 ist nicht zufällig das UN-Jahr der Senioren. Zehn Prozent der Weltbevölkerung sind heute über sechzig, 16 Prozent werden es laut Weltbank in 35 Jahren sein, und die meisten werden nicht in rentengesicherten Industrieländern leben, sondern in den Entwicklungsländern. Diese Alten werden ein Problem. Es sind nicht die Alten, die keine Lust haben, mit 60 zu arbeiten, sondern die, die mit 60 noch arbeiten müssen, um zu überleben.

Die derzeit 580 Millionen Menschen über 60 tauchen in der Öffentlichkeit kaum auf. Lediglich 30 Prozent von ihnen beziehen Rente – was für eine, möchte man lieber nicht fragen. Sie sind laut der Organisation HelpAge die ärmste Gruppe der Weltgesellschaft. Es sind größtenteils Frauen, viele Witwen. Sie haben selten Ersparnisse, und wenn sie arbeiten, bekommen sie Mindestlöhne. Sie sind oft krank, aber für ihre besonderen Krankheiten gibt es kaum Programme. Ihre Renten verfallen unter den Strukturanpassungen des IWF: Viele argentinische Rentner begingen vor wenigen Jahren Selbstmord, weil die reformierten Pensionsfonds nichts zum Leben übrig ließen. Die wachsende Urbanisierung, die Migration und die Armut treffen gerade die Alten, weil es ihren letzten Rückhalt zerreißen kann: die Familie.

Dass die Alten mehr werden, ist eigentlich ein Erfolg. Nicht nur ein medizinischer, sondern auch ein kultureller und sozialer Erfolg, eine Bereicherung. Dass sie zum Problem werden, ist beschämend. Weit davon entfernt, allen Kindern dieser Welt eine Zukunft geben zu können, sind wir auch nicht in der Lage, den Alten ein würdevolles Leben zu gewährleisten. Vielleicht wird das erst deutlich, wenn bald „Altenarbeit“ ein ebenso großes Problem wie Kinderarbeit geworden ist. Maike Rademaker

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