Die ach so befreiten Sixties

■ Austin Powers, Spion in geheimer Missionarsstellung“: Zeitreise mit der VW-Käfer-Zeitmaschine, Potenzprobleme und die Rettung der Welt im altbekannten Retro-Mix

Austin Powers nervt. Selten elegant, aber meistens mit brachialem Sixties-Revival-Hype. Zwischen Häkelkleidern, analerotischen Missverständnissen, mit notorischem Jabot und rotem Samtanzug hat sich an der Powerschen Spionagefront auch im Fortsetzungsfilm nicht viel geändert: viele Angebote zum irren Lachen unter Niveau, während Powers – Held der allgemeinen Verunsicherung – die Spießerparade anführt und mit kleinen Geschenken aus der Kiste der sexuellen Revolution wirbt. Die ach so befreiten Sechziger als Abwehrzauber gegen nachlassende Spargelsteife in den nicht nennenswerten Neunzigern. Wer wie Powers stets das Männlichkeitszeichen (zur Erinnerung: Kreis mit kleinem bescheidenem Pfeil nach oben rechts) wie einen Talisman um den Hals hängen hat, hat's eben nötig.

Zunächst, weil sich Powers verehelichte Bettgenossin (Erbschaft aus dem ersten Powers-Streifen) als feindgesteuerter „Frau-bot“ entpuppt, der als eine vollautomatische Lovemachine mit Maschinengewehrnippeln und Selbstzerstörungsmodul droht. Doch nachdem sich das weibliche Dingsda als Feuerball über das Powersche Appartement verteilt hat, ist der Womanizer endlich wieder in seiner eigentlichen Seinsform: als Swinger mit eigenem Auto.

Seiner Bestimmung folgend, kann er also wieder auf den ausgetretenen Spuren von 007 samt femininem Anhang eine Weltverschwörung, nein eine Weltzerstörung vereiteln. Sein Brusttoupet an einer poppigen und zu poppenden Gespielin reiben, das geht bei dem hibbeligen Hüftschwenker immer. Aber was passiert, wenn ihm sein „Mojo“ – eine Art Libido für Brillenträger – abhanden kommt? Statt Omnipotenz notwendigerweise notgeile Impotenz.

Doch nun zum Wesentlichen: Kern- und Angelpunkt der streckenweise recht gelungenen Genre-Persiflage ist die, gähn, Zeitreise. Nicht genug, dass Powers auf der Suche des von seinem Gegenspieler Dr. Evil – den er selbstredend selbst verkörpert – entwendeten Fluidums „Mojo“ von 99 nach 69 und wieder zurück reist, es muss auch noch eine Zeitmaschine her, wahrscheinlich weil sie natürlich ein VW-Käfer ist, was sonst. Und wenn die Agentin Miss Shagwell (Heather Graham) schließlich im „Zeitportal“ verschwindet wie in einem psychedelischen Müllschlucker, dann ist das bei Stargate abgeguckt! Immerhin beherrscht Felicity Shagwell neben Karate auch noch die Fähigkeit zu pragmatischer Promiskuität. In ihr wird Powers seine Meisterin finden.

Ansonsten ist „Austin Powers“ ein krudes Machwerk, das dem 60er-Revival hinterherzockelt und bereits während des amüsanten Leinwandtreibens sehnsuchtsvoll an die Zigarette danach denken lässt. Genauso schnell ist es vergessen. Das Ganze tendiert in jedem Fall zum TV-Serial.

Da klingt das mutige Ständchen in der Sackgasse Carnaby Street – featuring Burt Bacharach und Elvis Costello, die den aufgemotzten Sixtiesclassic „I'll never fall in love again“ intonieren – wie Hohn. Mike Myers und seine Crew sind Wiederholungstäter. Da somit geringe Hoffnung besteht, von Teil drei verschont zu werden, bleibt nur ein strenges: „Benimm dich!“

Gudrun Holz

„Austin Powers“ Regie: Jay Roach, mit Mike Myers, Heather Graham, Mindy Sterling, Robert Wagner, Michael York u.a. , USA 1999, 95 Min.