Auf die reine Lehre kommt's nicht an

■ Mehr Kunden, gesichertere Existenz: Immer mehr kleine Ökobetriebe schließen sich zu Kooperationen zusammen. Eine Projektstudie bietet Orientierungshilfen für den Anfang

Stuttgart (taz) – Hertie ist schuld. Hätte der Kommerzriese vor vier Jahren seinen konventionellen Konsumtempel in der Mannheimer Innenstadt auf öko getrimmt, wäre vielleicht alles anders gekommen. Doch die Geschäftsführung wollte von einem Ökokaufhaus nichts wissen und schloss die Filiale zum 30. 12. 95. Das Beraterteam, dem unter anderem der BUND, das Wuppertal Institut und das Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) angehörten, wollte jedoch die Idee, im Biogeschäft neue Wege zu gehen, nicht aufgeben. Man suchte in den eigenen Reihen nach neuen Versuchsfeldern.

Entstanden ist dabei das Projekt „Ökokaufhaus – Qualifizierung im Handel mit ökologischen Produkten und Dienstleistungen“, das das Land Nord-Rhein-Westfalen im Rahmen des Programms QUATRO (Qualifizierung, Arbeit, Technik, Reorganisation) finanzierte. Nach drei Jahren Laufzeit liegen jetzt die Ergebnisse vor: Neben der Beratung von Ökounternehmen an konkreten Standorten hat das Projektteam unter der Regie des Wuppertaler „Clearing-house for Applied Futures“ einen „Baukasten zur Planung und Realisierung von Ökokaufhäusern“ zusammengestellt.

„In der Ökobranche müssen Strategien entwickelt werden, um neue Kunden zu erreichen“, erklärt Ute Zander vom Clearing-house die Motive des Projekts. Und die soll nun der Baukasten liefern: Eine Ökokaufhaus-Initiative wird darin Schritt für Schritt von der Initialphase bis zur Eröffnung begleitet. „Vielerorts traut man Ökohändlern immer noch nicht zu, dass sie mit Geld umgehen können“, so Ute Zander. Im Baukasten gibt es deshalb praktische Tips in Sachen Finanzierung: Helmut Hagemann vom IÖW hat einen Subventionsführer für Ökounternehmen zusammengestellt. „Eine Orientierungshilfe, die vor allem die weniger erfahrenen Kaufleute ermutigen soll“, so Hagemann. Kein Kochrezept allerdings, denn: „Die Subventionslandschaft ist so stark in Bewegung, dass konkrete Angaben schnell überholt sind“, gibt der Finanzexperte zu.

Sehr wichtig für Ökohändler ist die Frage: Was nehme ich in mein Sortiment auf? „Manche Händler legen den Schwerpunkt auf ökologische, manche auf regionale und andere auf soziale Aspekte“, erklärt Simone Back vom BUND, Bereich Wirtschaftskooperation. „Wichtig ist, dass der Kunde die Gründe für seine Entscheidung erfährt.“ Im Wuppertaler Baukasten hat sie Informationen für den Bereich der Sortimentspolitik zusammengestellt. „Wo es Ökolabels gibt, sollten sie als Kriterium gelten.“

Und wo es die nicht gibt – etwa bei Computern –, müssen eigene Regeln aufgestellt werden. Klar ist, dass Kompromisse notwendig sind: „Es ist niemanden damit gedient, wenn Ökos prinzipiell die reine Lehre anwenden“, betont Back, „dann jagt womöglich eine Finanzkrise die nächste“.

Die meisten Ergebnisse des Ökokaufhaus-Projekts wurden in der Praxis erprobt. Zum Beispiel in Köln, wo im Winter 2001 das Ökozentrum „Öcologne“ für ökologischen Handel, Dienstleistungen und Wohnen seine Tore öffnen soll. „Konkrete Entscheidungen muss man natürlich selbst treffen“, kommentiert Ökobaustoff-Händler Klaus Gabrielli, einer von zehn Betreibern von Öcologne, die Unterstützung aus Wuppertal. „Am Anfang kann der jetzt erarbeitete Ratgeber jedoch helfen, die eigene Vision auf den Boden der Tatsachen zu holen.“

In Krefeld beriet das Wuppertaler Team ein dezentrales „Ökokaufhaus-Projekt“, in dem sich etwa 20 Unternehmen zu einer Marketinggesellschaft zusammengetan haben. „Es geht darum, gegenseitig Erfahrungen auszutauschen und zu nutzen“, sagt einer der Initiatoren, Knut Habicht vom Naturschutz Bund.

Anfangs hatte Habicht „Angst, dass sich die Betreiber nicht ganz grün sind“, doch dann stand nicht die Konkurrenz, sondern der Synergieeffekt im Vordergrund. „Durch das gemeinsame Projekt sind die Unternehmer selbstbewusster geworden.“

Ob der Bioladen um die Ecke jetzt die große Konkurrenz fürchten muss? Und am Ende dasselbe Schicksal wie Tante Emma-Läden erleidet? „Im schlimmsten Fall ja“, gibt Ute Zander zu. „Gegen große Investoren werden es kleine schwer haben.“

Allerdings stelle sich ihr Team das Ökokaufhaus anders vor: eine Wirtschaftskooperation aus bestehenden Ökobetrieben, die sich dadurch besser entwickeln oder ihre Existenz sichern können. Kundenkreis erweitern und nicht umverteilen, heißt die Devise. Ute Zander: „Dem Druck der Konventionellen, die am Ökogeschäft teilhaben wollen, muss etwas entgegengesetzt werden.“ Auf dem Abschlussworkshop zu der Studie in Wuppertal waren die Vertreter der herkömmlichen Kommerzbranche jedenfalls präsent und lauschten aufmerksam den Vorträgen der Ökokollegen. Danièle Weber