Die Seelchen kuschen vor Knackis

■  Das 111. Berliner Derby zwischen Tennis Borussia und Hertha BSC degenerierte zum Freundschaftsspiel. Das Pokalgekicke endete 3:2 nach Verlängerung für die Herthaner. Nur ein paar Fans pflegen alte Feindschaften

Schau, dort, die Veilchen.“ Udo ist kein Freund von Blumen. Vor allem Veilchen mag er nicht. Lila, eine Frauenfarbe. Nur unter Fesseln und Knebeln würde er sich derart feminin kolorieren. Sagt Udo.

Udo steht im Fanblock von Hertha BSC. Olympiastadion, Ostkurve. Er trägt das übliche Hemd. Das Knacki-Outfit, ein blau-weiß gestreiftes Leibchen mit der Nummer 11. „Michael Preetz“ steht auf dem Rücken. Seine Kumpels haben Plakate aufgehangen. „Kommando Nord“ steht drauf und „Deutsche Eiche“. Sie singen mit, wenn Frank Zander ihre Hymne krächzt: „Power von der Spree“. Kernig, knackig, krachig.

Gegenüber stehen die Rivalen, die lila TeBe-Anhänger. Sie sind in der Minderzahl. Auf weiße Laken haben sie geschrieben „Ping-Pong-Veterans“ und „Violet Cows“. Auf einer Fanpage von TeBe hat Webmaster Olaf gedichtet. TeBe – das sind Seele, Wärme, Inbrunst. Hertha besetzt im lila Universum die Gegenpole: Gewalt, Kälte, Mitläufertum.

2:3 nach Verlängerung verliert Gastgeber Tebe im Olympiastadion gegen Hertha BSC. 23.200 Zuschauer gucken beim DFB-Pokalspiel der dritten Runde zu. Im Vorjahr wollten noch 40.000 Leute das Stadtduell sehen.

Nur müde rafft sich der Hertha-Block nach dem Spiel zu Sprechgesängen auf. „Hier regiert der BSC“, rufen sie. Der Mehrheitsträger schreibt seinen Status fest: Alleinregierung. TeBe durfte nur kurz die Rolle der starken Opposition mimen. Vor einem Jahr besiegten sie Hertha in einem tollen Pokalspiel mit 4:2.

Damals kamen die Gemüter noch in Wallung, heute sagt Hertha-Coach Jürgen Röber: „Ach Gott, Genugtuung über den Sieg? Nein, das kann man so nicht sagen.“ Wie denn? „Na ja, im Spiel war schon eine gewisse Brisanz, aber das ist doch völlig normal – schauen sie nach München oder Hamburg.“

Da hat er Recht. Das Spiel diente nämlich nur zum „Aufbau eines positiven Erfolgserlebnisses“. Schließlich warten die Münchner Bayern in der nächsten Bundesliga-Runde. Da heißt es Kräfte sparen. So sorgte sich Röber in der Hauptsache über den unnötigen Verschleiß durch Spielverlängerung. „Für uns heißt es nun vorrangig zu regenerieren.“

Auch Winfried Schäfer wollte kein Herzblut auf das verlorene Match vergießen. Das sparte er für sein Team auf. Das habe einfach riesig gespielt, alles umgesetzt, was man sich so vorgenommen habe. „Alle Spieler waren überragend“, sagte er. Das Spiel geriet TeBe glatt zur Werbeveranstaltung: „Wir wollten uns präsentieren, zeigen, dass TeBe eine tolle Mannschaft ist, damit die Negativberichterstattung über uns aufhört.“ Schließlich: „Berlin braucht eine zweite Erstligamannschaft.“ Natürlich, und Winnie braucht mal ein Wahlergebnis über der Fünfprozenthürde. Das bedeutet Aufstieg. Die TeBe-Fans schienen das noch nicht begriffen zu haben. Auf die hämischen Choräle der Herthaner entgegneten sie – nichts. Die Hackordnung stimmte wieder. Warmherzige Seelchen kuschen vor raubeinigen Knackis.

Markus Völker