Jetzt ist Schluss mit üppig

■ Bessere Stimmung mit weniger Geld: Wie Ex-Werder-Manager Willi Lemke in hundert Tagen versucht, Bremens Schulen und sein Ressort in den Griff zu bekommen

Was war das in der Bundesliga doch einfach. Wenn Willi Lemke da seine Angestellten motivieren wollte, winkte er einfach mit ein paar Zehntausendern. Jetzt ist sein Etat zwar unvergleichlich größer als bei Werder, trotzdem sieht sich Lemke in der neuen Rolle des Bildungssenators gern als armer Mann. Und sagt Sätze wie diesen: „Die üppigen Zeiten sind vorbei, da muss ich mir jetzt ganz kreativ was einfallen lassen.“

Mit Ideen will Willi jetzt überzeugen, nicht mit großen Scheinen. Bei seiner Bilanz der ersten hundert Tage am Donnerstag redete er wie einer, der mit dem Rücken an der Wand steht. Und man fragt sich, wann dieser gehetzte Mann mal Zeit zum Nachdenken findet. Ohne ein einziges Mal tief Luft zu holen, eilte er durch die Themen der Bremer Schulpolitik. Alles müsse flexibler, schlanker, motivierter und – immer wieder dieses Wort – „kreativer“ werden. Kein Wunder, dass sich bei dem Mordstempo auch mal der Sinn im Mund verdreht. „Wir haben eine völlig überalterte Lehrerschaft“, konstatiert er atemlos und folgert: „Da muss ich dringend junge Leute einsparen – äh – einstellen.“ Die Wahrheit hinter dem Versprecher: Zwar darf Lemke in den nächsten vier Jahren 400 neue junge LehrerInnen beschäftigen, gleichzeitig werden aber fast 900 pensioniert. Am Ende der ersten Lemke-Amtszeit wird es also für mehr SchülerInnen 500 LehrerInnen weniger in Bremen geben.

Durch 25 Schulen ist Lemke an seinen ersten hundert Arbeitstagen geeilt, die restlichen 145 will er auch noch besuchen. Was er bei der Rundtour bisher vor allem gelernt hat? – „Da, wo wir tolle Schulleiter haben, haben wir tolle Schulen.“ Auch dem Umkehrschluß, dass nicht so tollen Schulen wohl nicht so tolle Schulleiter vorstehen, stimme er zu, sagt Lemke. Reden will er aber lieber über die Vorbilder unter seinen „Cheftrainern“, den Schulleitern. Denn „anders als in der Wirtschaft, kann ich ja jetzt nicht mehr mit personellen Konsequenzen drohen.“

Dem steht das deutsche Beamtenrecht in den Schulen – Lemke nennt sie „unsere Produktionsstätten“ im Weg. Mancher Politiker vor ihm ist mit seinen Ideen an diesem wuchtigen Felsen zerschellt. Lemke weiß das und will ihn lieber umschiffen. „Ich will nicht bestrafen, sondern motivieren,“ sagt er – mit „kreativen Ideen.“ Wäre schon schön, wenn sich Bremens LehrerInnen darauf einließen. Und sich dabei ein Vorbild an „Amerika“ nähmen: „Da machen die eine wahnsinnige Fluktuation“, hat er gehört, „sowas wünsche ich mir auch, dass Kollegen nicht zwanzig, dreißig Jahre an der gleichen Schule hängen, sondern ab und zu mal die Plätze tauschen.“ Natürlich nur freiwillig, schiebt er schnell noch nach.

Mit dem Zuckerbrot will Lemke wirken, nicht mit der Peitsche. Und erwartet dafür, dass man auch ihn erstmal mit Drohgebärden in Ruhe lässt. Von Protesten, giftigen Erklärungen, Streiks und Demonstrationen,die bisher zum Alltag jedes Bremer Bildungssenators gehörten, hält Lemke gar nichts: „Was soll der Unsinn?“, fragt er, „das verärgert doch bloß die Autofahrer, die dahinter im Stau stehen und schadet unserem Image.“

Insgesamt will er auf Bremens LehrerInnen aber nichts mehr kommen lassen. 80 Prozent von ihnen seien „ungeheuer engagiert“, meint er jetzt. Dafür hat Lemke den Feind in der eigenen Behörde ausgemacht und unter Beschuss genommen. „Da wiehert täglich der Amtshirsch“, klagt er, eine schlichte Kostenabrechnung durchlaufe sage und schreibe sechs Stellen, bevor das Geld überwiesen werde. „Zwei sind doch völlig genug“, meint der Senator, „ich fordere jeden meiner 320 Mitarbeiter auf, sich Gedanken über schlanke Abläufe zu machen.“

Doch solche Aufforderung perlt an der dicken Haut ab, die sich die Behörde gegen Reformen jeglicher Art zugelegt hat. Vor zehn Jahren haben die Bildungsbeamten solche Sätze schon mal von Bildungssenator Henning Scherf gehört. Herausgekommen ist nach Jahren zäher Umorganisation eine lustlose Behörde. Lediglich eine kleine Führungsgruppe auf Lemkes Flur ist bereit, den Chef auf seinem Sturmlauf zu begleiten. „Wir sollen in die Kabine kommen“, sagen die, wenn Lemke sie zur Einschwörung auf seine kreativen Ideen zusammenruft.

„Die Stimmung ist besser, die konkreten Missstände sind die gleichen“, konstatiert Yasmina Wöbbekind trocken. Sie ist die Landesvorsitzende der LehrerInnengewerkschaft GEW. Schön sei es, dass man nach vier Jahren Kahrs nun zumindest wieder mit dem Senator sprechen könne. Ob die Stimmung auch gut bleibt, das, so Wöbbekind, „wird sich erst in den Haushaltsberatungen zeigen.“ Doch Lemke ist schlau genug, in dieser Sache keine Versprechungen zu machen. Mit jeder Ankündigung würde er hinterher zwangsläufig als Gescheiterter dastehen.

Verwaltungsreform, Etaterhöhung – die dicken Brocken des Politikgeschäfts lässt Lemke lieber liegen. Und verbindet seinen guten Namen stattdessen mit konkreten Projekten, die schnellen Erfolg versprechen. Als erstes Bundesland soll in Bremen jede Schule bis zum nächsten Schuljahr ans Internet angeschlossen sein. Das klingt toll, mehr als eine kleine Spende ausrangierter Computer braucht Lemke dafür aber nicht, denn fast überall läuft das Internet schon heute. Gerne freut sich Lemke auch über den Neid anderer Bundesländer auf die International University of Bremen. Dank hoher Studiengebühren wird sie keine Geldsorgen haben. „Nur die besten Professoren werden wir dort zulassen“, kündigt Lemke an. Über die Universität Bremen und die Qualität von deren Professoren sagt der eloquente Senator aber lieber nichts.

Dirk Asendorpf