Mülltonnen sind gemeinnützig

■ Der DGB ist an allem Schuld. Zum Beispiel am „Verein zur Förderung des Kabarett“, der jeden zweiten Montag im Bürgerhaus Weserterrassen kabarettistisch zuschlägt

Die Ingo Appelt-Klons füllen den Pier 2 fast täglich. Und woher kommenen sie? Peter Sloterdijk, der an die aufgeklärte Vernunft nicht mehr glauben mag, züchtet sie in seinem Menschenpark. Aber es gibt sie noch: die Wie-du-und-ich-Menschen, die sich mit dieser Welt allen Ernstes spaßig auseinandersetzen und das Ergebnis mal schlecht, mal recht in Kabarett verwandeln. Es gibt sie sogar im Raum Bremen-Oldenburg-Syke, und Raymund Suchland, der weißbierfeste Bayer vom Bremer Kabarett „Labskaus“, sammelt sie ein und stellt sie (hoffentlich) regelmäßig auf die Bühne des Bürgerhaus Weserterrassen.

Letzten Mittwoch wurde ein Anfang gemacht. Da trafen sich „Labskaus“, die Oldenburger „Spunk“ und „Coch & Jochem“, sagten so herzallerliebste Wörter wie „Mülltonnendeckelverschluss“ oder „Herr Muckel“ auf, informierten über die Essgepflogenheiten von Maden oder klärten auf über deutschen Sex und die Mechanik von marokkanischen Krabbenpuhlmaschinen. Nicht immer sitzt die Mischung aus Vertrotteltheit und Durchblick so perfekt in Stimmen und Gesichtern wie bei den TV-Profis. Aber genau der Arm, der einen Kick zu hilflos schlenkert, das Kicksen, in dem eine winzige Spur zu wenig Irrsinn schwingt, das macht den Charme aus. „Wir sind Amateure, aber keine Laien, kein Schülertheater. Und erst Recht kein Lehrertheater – was in aller Regel noch tief unter dem Schülertheater rangiert“, frotzelt Suchland. Die hiesige Szene – Labskaus, Libretto Fatale, Urdrüs und die Dadaisten vom GaDeWe – ist nicht besonders groß und nähert sich rasant dem Stadium der Grauhaarigkeit.

Die besten Kabaretttexte verfassen übrigens immer noch Bremens Behörden. Als „Verein zur Förderung von Kabarett und Kleinkunst in Bremen“ beantragte Suchland die Anerkennung der Gemeinnützigkeit. Frau X „bedauert, keine positive Auskunft erteilen zu können.“ Der Grund: Kabarett ist nix Kunst. Basta. Was aber ist Kunst? Diese Frage, die der Philosophie jahrhundertelang schlaflose Nächte bereitete, ist nun für alle Ewigkeit beantwortet und unter der Aktennummer 71-Tbz-125 WV-V im Finanzamt-Mitte abgeheftet. Ein wahrer Künstler, erfahren wir dort, müsse mehr als nur „handwerkmäßige Fähigkeiten“ an den Tag legen, nämlich, taterata: „eine eigenschöpferische Leistung“. Aber kann ein „Mülltonnendeckelverschluss“ „eigen“ sein oder ist er nicht vielmehr eine fremdbestimmte Verhütungsmaßnahme? Und schöpferisch wäre er nur, wenn er zum Beispiel wasserspeien würde. Eine ernstzunehmende „Leistung“ aber wird er wohl niemals vollbringen. Und wenn ein Mülltonnendeckelverschluss keine Kunst ist, kann dessen Erzeuger kein Künstler sein, logo.

Im wirklichen Leben sind Kabarettisten zum Beispiel Juristen, Lehrer oder Leiter von Kindertagesheimen. Suchland betreut als Bewährungshelfer immerhin 80 bewährte Menschen im Viertel. Da kann ein osmotischer Austausch zwischen Job und Kabarett nicht ausbleiben. Und manchmal bedeutet dieser Austausch ganz simpel, dass Suchland den Stress des Tages auf der Bühne hinwegtobt.

Nun, da das „Kabarett Wüst“ aufgehört hat mit seinen monatlichen Varieteabenden im Bürgerhaus Weserterrassen, hat der staatlich als eigennützig anerkannte Verein gute Chancen auf ein Stammpublikum. bk

Pressemitteilung der Veranstalter: „Der Mittwochabend hat wieder einen Sinn.“, denn „Bremer Pläsier“ herrscht jeden zweiten Mittwoch im Monat im Bürgerhaus Werserterrassen.