Star Wars“ fürs nächste Jahrtausend

■ Die USA wollen mit Russland bei der Rakentenabwehr kooperieren, um gegen Angriffe aus der Dritten Welt gewappnet zu sein. Doch Moskau wehrt sich gegen neuen Versuch, den ABM-Vertrag von 1972 aufzuweichen

Berlin (taz) – Die USA haben Russland angeboten, bei der Errichtung eines Raketenabwehrsystems in Sibirien großzügige Hilfe zu leisten. Im Gegenzug solle Moskau seinen Widerstand gegen ein solches Abwehrsystem auf dem amerikanischen Kontinent aufgeben. Über diese bislang vertraulich unterbreitete Offerte aus Washington berichten am Sonntag die New York Times und die Washington Post. Ein solches Angebot setzt eine Änderung des ABM-Vertrags voraus.

Die Clinton-Regierung drängt seit längerem darauf, den 27 Jahre alten ABM-Vertrag zu modifizieren. Lange war die ehemalige Sowjetunion das einzige Land, das die USA mit nuklearen Interkontinentalraketen bedrohte. Inzwischen verfügen zahlreiche Drittweltstaaten wie Nordkorea, Irak oder Iran über Raketentechnologie, viele sind nukleare Schwellenländer. Es sei nicht absehbar, welche Bedrohungen in den kommenden Jahrzehnten auf die USA zukämen, jedenfalls müsse eine Sicherheitsdoktrin, die im Denken des Kalten Krieges verankert sei, dringend überprüft werden, sagen Außenpolitiker wie Brent Scowcroft, der unter Präsident Bush Nationaler Sicherheitsberater war.

Solche Argumente bestärkten auch diejenigen Politiker im US-Senat, die sich in der vergangenen Woche weigerten, den Atomteststopp-Vertrag (CTBT) zu ratifizieren. Ihr entscheidender Einwand, Atomtests von Drittwelt-Staaten seien nicht zu entdecken, der CTBT sei also nicht zu verifizieren, wird von den meisten Experten allerdings zurückgewiesen.

Bislang hat sich Moskau gegen jede Veränderung des ABM-Vertrags gewandt. Die Bedrohung durch kleinere Länder werde von den USA übertrieben, sagen Experten im russischen Außenministerium. Nach dem CTBT dürfe nicht auch noch der ABM-Vertrag zur Disposition gestellt werden.

Die USA wollen Moskau dabei allerdings einen Riesenschritt entgegenkommen. Sie bieten erstmals an, Russland zu helfen, eine Radaranlage bei Irkutsk in Sibirien fertigzustellen. Diese überwacht den Luftraum an der gesamten Ostgrenze Russlands, könnte also Angriffe aus Korea oder China entdecken. Ein weiterer, nach Süden ausgerichteter russischer Radarkomplex in Aserbaidschan könnte mit US-Hilfe modernisiert werden. Außerdem wollen die USA im Krisenfall Geheimdiensterkenntnisse und Satellitendaten mit Moskau austauschen.

Das Raketenabwehrsystem für die USA soll bis zum Jahre 2005 fertiggestellt sein und im wesentlichen in Alaska stationiert werden. Vorgesehen sind dort ein weitreichendes, hochempfindliches Radar und etwa 100 Abfangsysteme. Ein zweiter Komplex könnte bis 2010 in North Dakota entstehen.Weitere bestehende Radaranlagen in Grönland und Großbritannien sollen ausgebaut werden.

Stefan Schaaf