■ Der elende rot-grüne Streit um die Reichtumsteuer
: Nichts als Floskeln

Die Entscheidung über die zusätzliche Besteuerung des Reichtums in Deutschland gerät zu einer unendlichen und peinlichen Geschichte. Taktische Raffinessen und eine bloß symbolische Gerechtigkeitsrhetorik bestimmen die Szenerie. So erhärtet sich der Eindruck: Was auch immer einzelne Gruppierungen im rot-grünen Regierungslager wollen – am Ende wird es bei der Freistellung der Vermögen von der Besteuerung bleiben.

Zur Erinnerung: 1995 hat das Bundesverfassungsgericht die damalige Ausgestaltung der Vermögensteuer zu Recht für verfassungswidrig erklärt. Jedoch wurde in diesem Urteil die Vermögensteuer an keiner Stelle als an sich grundgesetzwidrig klassifiziert. Vielmehr sollte der Gesetzgeber beispielsweise die Ungerechtigkeit bei der Behandlung von Geld- gegenüber dem Immobilienvermögen beseitigen. Damit wurde die Angleichung der extrem niedrigen Einheitswerte der Immobilien an die Marktwerte gefordert. Die Kohl-Regierung tat freilich nichts dergleichen – sie hat die Vermögensteuer 1998 nicht abgeschafft, sondern nur ausgesetzt.

Gegen diese Steuerpolitik opponierten damals SPD und Bündnisgrüne. Erinnert sei an die Anhörungen im Finanzausschuss des Deutschen Bundestags – nachzulesen in den Protokollen. Die damalige rot-grüne Botschaft lautete: Reichtum schafft zusätzliche ökonomische Leistungsfähigkeit und muss deshalb auch besteuert werden. Und noch im rot-grünen Koalitionsvertrag Ende Oktober 1998 wurde eine Kommission angekündigt, die die Vermögensbesteuerung überprüfen sollte. Ziel der Prüfung: eine Wiedereinführung der Steuer.

Schnee von gestern. Heute, im Zeichen von Sparkurs und Steuersenkung für Unternehmen, wollen die tonangebenden Kräfte bei Rot-Grün von einer Vermögensbesteuerung nichts mehr wissen. Der neue Leitantrag für den SPD-Parteitag enthält zwar einige Beteuerungen, für mehr Gerechtigkeit zu sorgen. Doch mehr als Floskeln sind das nicht. So kann Finanzminister Eichel auch weiterhin von einer Vermögensteuer nichts wissen wollen. Die Bündnisgrünen haben sich von dieser Finanzierungsquelle ohnehin längst verabschiedet. Nur die SPD-Linke um Detlev von Larcher setzt sich zu Recht noch für die Besteuerung von Reichtum ein. Allerdings: Taktik und Durchsetzungsakrobatik drohen das wichtige Projekt endgültig zu kippen. Mit dem Schwenk von der Vermögensteuer zur Vermögensabgabe soll die Verweigerung durch die Mehrheit des Bundesrats umgangen werden. Doch die Vermögensabgabe ist verfassungsrechtlich bedenklich. Vor allem aber blamiert die bei von Larcher anvisierte Begrenzung des Freibeitrags auf 300.000 Mark für Hausbesitz diese verteilungspolitisch richtige Idee.

Denn die Vermögensteuer muss als Reichtumsteuer etabliert werden. Die Betriebsvermögen werden nicht besteuert, um Unternehmen in der Verlustzone nicht zu belasten. Sie darf auch untere und mittlere Einkommen nicht treffen. Und dies verlangt großzügige Freibeträge beim Immobilienvermögen. Vor allem: Selbst genutzter Hausbesitz sollte komplett ausspart bleiben. Denn nur so kann man die Arbeitnehmerfamilie schützen, die etwa im Ballungsraum Stuttgart ein Haus besitzt, das mittlerweile einen Marktwert in der Nähe einer Million hat. Auch für das Geldvermögen ist ein großzügiger Freibetrag sinnvoll. Denn nur dann trifft die Reichtumsteuer jene 5 Prozent der reichsten Haushalte, die 1993 (neuere Zahlen liegen nicht vor) über 28 Prozent des Geldvermögens verfügten.

Auch dem Grundsatz des Bundesverfassungsgerichts, dass der Staat dem (reichen) Bürger höchstens 50 Prozent seines Einkommens per Steuer abnehmen darf, lässt sich Genüge tun – wenn damit die effektive Steuerbelastung gemeint ist. Denn auch dies ist steuerpolitische Wirklichkeit: Die real bezahlte Steuer liegt bei Großverdienern deutlich unter dem derzeitigen Spitzensteuersatz.

Über diese Fragen muss nun entschieden werden. Wer diese Reichtumsteuer nicht will, der soll es sagen – und auf Grußadressen in Leitanträgen verzichten. Freilich wäre dies der Abschied von einer Politik sozial gerechterer Steuerlastverteilung.

Rudolf Hickel

Professor für Finanzwissenschaften in Bremen