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Shit happens – auch in der Brennelementefabrik Lingen

■ taz-Serie „Gute Gründe für einen Atomausstieg“: Wen interessieren kleinere Störfälle?

Hannover (taz) – Überrascht hat das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) gestern auf das öffentliche Interesse reagiert, das der interne BfS-Bericht zu den 16 kleineren, aber meldepflichtigen Störfällen des Jahres 1998 in Brennelementfabriken, Anreicherungsanlagen und Zwischenlagern gefunden hat. „Ich freue mich, dass sich die Öffentlichkeit jetzt dafür interessiert“, erklärte BfS-Präsident Wolfram König.

Bevor der Bericht über Störfälle in diesen Atomanlagen aber so einfach via Internet abrufbar ist wie die Berichte über Störfälle in Atomkraftwerken, muss König erst mit den Atomaufsichtsbehörden der Länder und den Betreibern sprechen – ohne deren Zustimmung dürfen Betriebsgeheimnisse nicht offenbart werden.

Alle 16 Störfälle wurden in die Meldekategorie „N“ – „Innerhalb von fünf Tagen zu melden“ – und in die Kategorie „null“ der internationalen Ines-Störfallskala eingestuft. Das bedeutet: angeblich keine Auswirkungen auf die Gesundheit der Mitarbeiter, die Umwelt und die Sicherheitstechnik.

In der einzigen deutschen Brennelementefabrik in Lingen ereigneten sich allein 8 dieser Störfälle. Bei 3 davon kam es zu vorübergehenden Kontaminationen innerhalb der Fabrik. Im Juli 1998 fielen aus einem 170-Liter-Behälter 2 Kilo radioaktives Granulat heraus und kontaminierten zwei Quadratmeter des Fußbodens. Der Mitarbeiter, der den Störfall verursachte, trug eine Atemschutzmaske und soll keinen radioaktiven Staub eingeatmet haben. Einen Monat später fiel ein Stapel mit Urantabletten von einer Rollbahn herunter und kontaminierte durch Splitter und Abrieb etwa einen Quadratmeter Boden. Im Dezember riss bei Wartungsarbeiten ein Abluftschlauch ab und verseuchte auch die Raumluft. Alle anderen Störfälle betrafen kurzfristige Ausfälle etwa vonMessgeräten oder Feuermeldern.

In den anderen Anlagen kam es nicht zu Kontaminationen. Der Pressesprecher des BfS betonte gestern noch einmal, dass ein Unfall wie in Tokaimura, bei dem Ende September nach heutigen Erkenntnissen rund 50 Menschen verstrahlt wurden, in Lingen nicht passieren könne. Dort wird, anders als in Japan, kein Plutonium verarbeitet, das Uran ist maximal zu fünf Prozent angereichert. Vor Kritikalitätsunfällen wie in Japan – also Unfällen, bei denen die kritische Masse, die eine unkontrollierbare Kettenreaktion bei der Kernspaltung hervorruft, erreicht werden könnte – schützt vor allem das so genannte Trockenkonversionsverfahren. Die Kettenreaktionen können eher in wässerigen Lösungen von Uranverbindungen entstehen. Jürgen Voges

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