Gegenwind vom Gegenparlament

Milosevic' Gegner wollen jetzt ein Gegenparlament samt Übergangsregierung einsetzen. Diese Initiative droht die serbische Opposition wieder zu spalten  ■   Aus Belgrad Ivan Ivanji

Serbiens Opposition macht einen neuen Vorstoß: Sie will der Belgrader Führung ein Gegenparlament und eine Übergangsregierung entgegenstellen. Dies forderte ein lokaler Vertreter der Demokratischen Partei (DP), der wichtigsten Kraft innerhalb des Bündnisses „Allianz für den Wandel“, auf einer Anti-Miloševic-Kundgebung am Dienstagabend in der Stadt Niš. Als Kandidat für das Amt des Premiers wurde Dragoslav Avramovic, 83, ehemaliger Notenbankgouverneur Jugoslawiens, vorgeschlagen. Diese jüngste Initiative der DP ist aus ihrer Sicht konsequent, glaubt die Allianz schon längst nicht mehr an die Möglichkeit demokratischer Wahlen unter der amtierenden Regierung.

Besonders in diesem Punkt unterscheiden sich die oppositionellen Kräfte unter Führung des Chefs der DP, Zoran Djindjic, von der Serbischen Erneuerungsbewegung (SPO) von Vuk Draškovic. Der setzt immer noch auf Wahlen unter dem Miloševic-Regime, allerdings unter internationaler Aufsicht.

Mit Müh und Not hatten die Allianz und Draškovic einen Kompromiss gefunden. Der Übereinkunft zufolge wollten die Verantwortlichen zuerst mit allen legalen Mitteln versuchen, gleichzeitig Wahlen für das Bundesparlament, das Parlament Serbiens und lokale Wahlen durchzusetzen. Erst wenn dieser Versuch misslingt, ist auch die SPO bereit, an Demonstrationen gegen das Regime, Streiks, Straßenblockaden und ähnlichen Aktivitäten teilzunehmen.

Überdies schlägt die SPO vor, bei Wahlen getrennt anzutreten und erst danach eine Koalition zu bilden. Für die Vorbereitung eines solchen Vorgehens wurde ein „Runder Tisch“ als ständige Institution installiert, der jeden Donnerstag tagt. Bis Redaktionsschluss war nicht zu erfahren, ob gestern über den Vorschlag aus Niš diskutiert wurde.

Doch eins scheint klar: Dieser neue Vorstoß schadet der Einigkeit der Opposition, die derzeit wichtiger denn je ist. Die SPO, die sich für die weitaus stärkste Oppositionspartei hält, wird die jüngste Idee höchstwahrscheinlich missbilligen. Sie verfügt über die beste Logistik und über die Rundfunkstation Studio B – Fernsehen und mehrere Hörfunkwellen – , die in mehr Haushalten Serbiens empfangen werden als der staatliche Rundfunk. Auf keinem Fall wird die SPO einem Schattenkabinett unter Avramovic beitreten.

Unterdessen hat die serbische Regierung ein neues Gesetz über die lokale Selbstverwaltung eingebracht, das vom Parlament am 28. Oktober verabschiedet werden soll. Darin vorgesehen ist, dass die lokalen Behörden und Bürgermeister aus Mehrheitswahlen mit nur einem Wahlgang hervorgehen sollen. Die meisten Städte und Gemeinden bei den Wahlen 1996/97 hatte die Opposition jedoch erst im zweiten Durchgang gewonnen, nachdem sich die zersplitterten Parteien auf einen Kandidaten geeinigt hatten.

Es besteht kein Zweifel, dass die Regierung mit ihrer jetzigen Mehrheit im Parlament das Gesetz durchsetzen und sofort danach erst einmal Kommunalwahlen ausschreiben wird.

Damit will sie der Opposition die Macht in den Großstädten entreißen. Die Stadtparlamente der 40 wichtigsten Städte Serbiens, mit Belgrad an der Spitze, werden dagegen heute einen Beschluss fassen, dass bis zum Jahresende Wahlen auf allen Ebenen stattfinden müssen. Diese Beschlüsse haben zwar einen moralischen Wert, aber rechtlich keine Bedeutung.

Wenn Wahlen nach diesen Regeln ausgeschrieben würden, hätte die Opposition Serbiens zwei Möglichkeiten. Entweder, sie einigt sich in einem jeden einzelnen Wahlkreis der Städte und Gemeinden auf einen gemeinsamen Kandidaten. Dann kann sie mit einem haushohen Sieg rechnen. Oder sie boykottiert die Wahlen, weil sie sich nicht einigen kann beziehungsweise das glaubt. Dann übernimmt die sich „patriotischer Block“ nennende „unheilige“ Koalition aus Miloševic-Sozialisten, der Quasi-Linkspartei JUL der Ehefrau von Miloševic, Mira Markovic, und der Radikalen die Städte und bereitet danach nach ähnlichem Muster die Wahlen für das serbische und das Bundesparlament vor.

Dieser Plan dämmert auch der Opposition. Sie hat für den 28. Oktober zu einer Kundgebung aufgerufen. Dann wollen alle oppositionelle Verordnete aus den Städten und Gemeinden nach Belgrad kommen und vor dem Parlament gegen das Gesetz protestieren.