Auftrieb für Tschechiens Kommunisten

■ Nach jüngsten Umfragen haben die Kommunisten bei den Wählern die Nase vorn. Grund sind der Rechtsruck der Sozialdemokraten und deren Geklüngel mit den Bürgerlichen

Prag (taz) – Wenn zwei klüngeln, freut sich der Dritte. Fünfzehn Monate nach Abschluss des Oppositionsvertrages zwischen Sozialdemokraten und Bürgerlichen sind Tschechiens Kommunisten beliebter als je zuvor. Den neuesten Meinungsumfragen zufolge liegt die „Kommunistische Partei Böhmens und Mährens“ (KSCM) mit 23 Prozent in der Wählergunst vorne. Die konservative „Bürgerliche Demokratische Partei“ (ODS) von Ex-Premier Václav Klaus ist den Genossen mit 21 Prozent auf den Fersen, den regierenden Sozialdemokraten (CSSD) würden inzwischen nur noch 17,5 Prozent der tschechischen Wähler ihre Stimme geben.

„Na ja, Meinungsumfragen sind ja auch nicht immer verlässlich“, erklärte CSSD-Sprecher Jiri Hron gegenüber der taz, gab dann aber leicht geknickt zu: „Die potentielle Wählerschaft der Kommunisten hat sich in letzter Zeit vergrößert.“

Ehrenvoll nehmen die Sozialdemoraten die Schuld an der roten Gefahr auf sich. Aus Enttäuschung darüber, dass die CSSD nach den letzten Wahlen einen Rechtsruck gemacht hat, wende sich der Wähler jetzt eben den Kommunisten zu, meint Hron.

Nach den letzten Parlamentswahlen im Juni 1998 stand die CSSD als Wahlsieger da, verfügte aber über keine Mandatsmehrheit. Um dennoch regierungsfähig zu sein, ließ sie sich auf einen Kuhhandel mit der ODS ein: Beide Parteien unterzeichneten einen Oppositionsvertrag, der der CSSD eine Minderheitsregierung von Gnaden der ODS erlaubte. Seitdem lähmt das Fehlen einer richtigen Opposition im Lager der demokratischen Parteien die politische Diskussion. Die spielt sich eher auf persönlicher Basis oder im Fettnäpfchen ab: Während Premier Miloš Zeman der ODS-Truppe droht, ihnen eines Tages das CSSD-Logo auf die Haut zu brennen, sitzen beide unter einer Decke und hecken aus, was sie denn so alles ändern könnten: Verfassung, Wahlgesetz, Pressegesetz. So hat sich der CSSD-Wähler seine Regierung nicht vorgestellt.

Zur allgemeinen Politikverdrossenheit gesellen sich noch ein kräftiges Haushaltsdefizit, Korruptionsaffären, skandalträchtige Minister und ein negativer EU-Bericht, der den Tschechen unter anderem genau all das vorwirft.

In Tschechien sind die Kommunisten traditionell eine starke Partei. Schon in der viel gerühmten Ersten Tschechoslowakischen Republik zwischen den Kriegen verfügten die Roten über eine ansehliche Wählerschaft. Bei den Wahlen von 1946 wurden sie in Böhmen stärkste Kraft. Auch der kommunistische Coup 1948, der die Tschechoslowakei fest in Stalins Griff gab, wurde damals vom Wähler geebnet.

Heute, zehn Jahre nach dem Ende der kommunistischen Herrschaft, kehrt man vielleicht zu dieser Tradition zurück. Bei der KSCM gibt man sich zurückhaltend: „Wir werden den Anstieg unserer Popularität erst ernst nehmen, wenn er sich in Stimmen ausdrückt,“ meinte KSCM-Sprecherin Vera Sesulková. Ulrike Braun