Fremde Wesen

Homos im Weltall und schlimme Kinder: zwei Specials der lesbisch-schwulen Filmtage  ■ Von Jakob Michelsen

Wohl bei keiner anderen Fernsehserie ist das Modewort „Kult“ so angebracht wie bei Star Trek alias Raumschiff Enterprise. Die Ur-Serie („Classic“) aus den 60er Jahren sowie ihre Nachfolgerinnen The Next Generation, Deep Space Nine und Voyager haben weltweit eine unüberschaubare Fangemeinde. Darunter sind bemerkenswert viele Lesben und Schwule – warum eigentlich, wo doch in dieser kommerziellen US-Serie bis heute keine einzige offen schwule oder lesbische Figur zu sehen ist? Der Frage, was Star Trek dem Homo-Pub-likum zu bieten hat, geht Erwin in het Panhuis im Rahmen der lesbisch-schwulen Filmtage am Sonnabend im Studio-Kino anhand diverser Filmbeispiele nach.

Die nicht selten homophoben Macho-Sprüche eines Captain Kirk in den „Classic“-Folgen laden sicher weniger zur Identifikation ein als gewisse Subtexte und Zweideutigkeiten. Da gibt es Plots, in denen Körpertausch und Geschlechtswechsel eine Rolle spielen, toughe Frauen, die wenigstens im Paralleluniversum auch mal bisexuell sein dürfen, oder die eigentümliche Hassliebe zwischen Captain Picard und dem mächtigen Wesen Q. Und nicht zuletzt bilden die Crew-Mitglieder eine Gemeinschaft abseits familiärer Bindungen (was freilich in Deep Space Nine etwas aufgeweicht wird). Die Liberalisierungs- und pc-Diskurse in den USA haben inzwischen zu schwarzen und weiblichen Captains geführt; eindeutig Gleichgeschlechtliches wird zwar nicht mehr negativ bewertet, kann jedoch auch nicht gelebt werden. Der innige Frauenkuss zwischen Dax und Lenara in der Deep Space Nine-Folge „Wiedervereinigt“ war konservativen ZuschauerInnen schon zuviel.

Die organisierte gay community in den USA hat immer wieder die Produktionsfirma Paramount aufgefordert, endlich eine schwule oder lesbische Hauptfigur einzuführen, und Star Trek-Vater Gene Roddenberry soll dies angeblich vor seinem Tod 1991 versprochen haben. Aber ist solche Eindeutigkeit überhaupt wünschenswert? Eine Folge, in der ein Bezug zu Homosexualität ausdrücklich beabsichtigt war – „Verbotene Liebe“ in The Next Generation – und in der ein Zwitterwesen von seiner Sexualität „geheilt“ wird, ist gründlich danebengegangen, und wäre das Verhältnis zwischen dem Schneider Garak und dem Arzt Beshir in Deep Space Nine nicht langweilig, wenn es, statt unterschwellig, offen schwul wäre?

Ein weiteres Special auf den Filmtagen ist den lieben Kleinen gewidmet. Kinder sind bekanntlich ordinär, laut und hinterhältig. Dennoch erfand die bürgerliche Gesellschaft den Mythos von den süßen, unschuldigen Engeln – schließlich sind sie der Kleister, der das Konstrukt „Familie“ zusammenhält. Im Film verkörperten Kinderstars wie Shirley Temple oder Heintje den Herzigkeitsterror. Doch es gab und gibt Gegenbilder, zuerst vorwiegend in den Niederungen des B-Movies, und die hat Christoph Dompke alias Emmi mit viel Lust an der Demontage in seinem Buch Unschuld und Unheil. Das verdorbene Kind im Film zusammengestellt: mordende Satanskinder und unheimliche Außerirdische in Horrorfilmen, durchtriebene kleine LügnerInnen – oder KinderhasserInnen in Filmen wie Andy Warhols Bad, die faszinierender wirken als ihre Opfer.

Dompkes Gang durch die Filmgeschichte ist nicht nur vergnüglich zu lesen, sondern kommt auch gerade recht in einer Zeit, da, so der Autor, „Schwule zunehmend dem klassischen Familienideal nacheifern“. Lange hätten sie außerhalb der offiziell sanktionierten Beziehungsformen gestanden. Entsprechend hätten Schwule noch bis vor kurzem ein ausgeprägtes Interesse für Trash, für kulturelle Äußerungen außerhalb des Mainstreams gezeigt, das bei den Jüngeren verlorengehe.

Zur Buchvorstellung am Sonnabend im Metropolis wird Dompkes wohl spektakulärste Ausgrabung gezeigt: Roy Rowlands Film The 5000 Fingers of Dr. T. von 1953. Darin lässt ein tuntiger, sadistischer Klavierlehrer (schön diabolisch: Hans Conried) 500 Knaben in seinen Palast bringen, um sie an einem gigantischen Barpiano, das sich durch mehrere Räume schlängelt, sein Klavierkonzert spielen zu lassen. Schlechte und nicht-klavierspielende Musiker müssen bei ihm in unterirdischen Verliesen schmachten, bis sie Grünspan ansetzen. Die Filmmusik zu dieser abgründigen Fantasie in knallig-surrealen Farben komponierte kein Geringerer als Friedrich Hollaender.

„Homosexualität in ,Star Trek'“, Sonnabend, 15 Uhr, Stu-dio 1; „The 5000 Fingers of Dr. T.“ (präsentiert von Christoph Dompke), Sonnabend, 17 Uhr, Metropolis; weiter sehenswerte Filme: „Companions“ und „Golden Thread“, Sonnabend, 13 Uhr, Metropolis, „The Man Who Drove With Mandela“, Sonnabend, 17 Uhr, Neues Cinema