■ Kommentar: Dumpfe Töne Haider, Blocher, Schröder/Blair: Europa schwenkt nach rechts
Schlechte Zeiten sind solche, in denen man die Wahlergebnisse schon im Voraus weiß. Kommenden Sonntag wird in der Schweiz Christoph Blochers SVP (Schweizerische Volkspartei) beklagenswert hohe Stimmengewinne einfahren. Europa rutscht nach rechts, und Rutsche im alpinen Gelände fallen besonders kräftig aus. Christoph Blocher ist so etwas wie ein Jörg Haider mit Alphorn.
Das Faszinierende am Alphorn sind die besonders dumpfen Töne, die es erzeugt, wenn ein geübter Bläser wie Blocher am Werk ist. Haider in Österreich, Blocher in der Schweiz, Bossi in „Padanien“. Bossi ist für die Abtreibung Norditaliens aus dem italienischen Mutterleib. Blocher und Haider sind für die Abtreibung der Alpen aus dem europäischen Mutterleib. Da staunen die Deutschen. Wieso? Auch Bayern gehört teilweise zu den Alpen, und Stoiber ist der erfolgreichste aller Haiders. Also kehrt vor der eigenen Tür.
In der Mehrzahl der EU-Staaten regieren Sozialdemokraten. Gegenbeweis gegen den Rechtsrutsch ist das keiner. Es sind eben auch die Tony-Blair-Gerhard-Schröder-Sozis vorsorglich nach rechts gerutscht. Haider in Österreich und Blocher in der Schweiz sind keine isolierten Bösewichter in unwichtigen Kleinstaaten. Hier wird die große Welt geprobt.
Besonders gilt dies für Österreich, dem heimtückischen Kleinstaat, der auf solche Generalproben immer schon spezialisiert war. Der Österreicher Adolf Hitler marschierte seinerzeit in Österreich ein, und dass nach dieser Generalprobe die große Blutoper des Faschismus sich nicht auf dem Welt-Spielplan hielt, dazu bedurfte es einer weltweiten Mächtekoalition.
In der Schweiz spielt sich ein besonders perverses Drama ab. Das kleine neutrale Alpenland war ein doppelt beruhigendes Beispiel für stabile Verhältnisse: Erstens ungeheuer bodenständig, fürs Alphornblasen bedurften sie keines Christoph Blocher. Zweitens, im Gegenzug zu ihrer Bodenständigkeit, ein Muster an Internationalität. Vorbei, vorbei. Blocher schürt die fremdenfeindlichen Flammen. Die sind kein Schweizer Patent, er hat sie nicht erfunden, er nutzt sie nur. Die Linken singen mit Nestroy „Die Welt steht auf kein' Fall mehr lang.“ Sie sollten lieber nachdenken über die tieferen und tiefsten Ursachen des sich verallgemeinernden Rechtsruckes. Günther Nenning
Bericht Seite 11
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen