Die langwierige Auswahl der Giganten

■ Im Kampf um die Nominierung für das US-Präsidentenamt lichten sich die Reihen. Einige Kandidaten treten immer wieder an

Washington (taz) – Tara Noe antwortet ruhig und bestimmt: Wenn alle, die solche Fragen stellen, sich stattdessen engagieren würden, dann würde sie sich erübrigen – diese immer wieder gestellte Frage, warum sie sich für einen Kandidaten einsetzt, der keinerlei Aussicht hat, das Amt zu erwerben, das er anstrebt: Präsident der Vereinigten Staaten zu werden. Die 20jährige Frau sieht mit ihren langen schwarzen Haaren und ihrer braunen Haut aus wie eine indische Mutter Gottes, sanftmütig, geduldig, liebenswürdig und von sich überzeugt. Ihr Held ist Alan Keyes, ein schwarzer Prediger und ehemaliger Talk Show Host, der sich um die Position des Kandidaten der Republikanischen Partei für das Präsidentenamt bewirbt. Außerhalb des Kreises seiner Anhänger kennt ihn schon in Amerika niemand, aber Reden kann er wie der Prophet Elias. Er ist ein Gottesmann und seine Ansprachen sind typisch für die Mischung aus Unterhaltung, Strafpredigt und Demagogie, mit der Prediger ihr Publikum zu bannen suchen. Er wettert gegen Abtreibung und Steuern. „Als wir die Steuern einführten, begannen wir die Bausteine des Kommunismus aufeinander zu türmen, und wenn wir nicht aufwachen, geht unsere Republik mit diesem Jahrhundert zu Ende.“

So gut wie Alan Keyes kann eigentlich nur noch einer reden, Patrick Buchanan. Wie Keyes versucht er den Anlauf schon zum dritten Mal: „Am Tag, da ich die Hand zum Amtseid hebe, stürzt die Neue Weltordnung in sich zusammen“, schreit er zum frenetischen Applaus seiner Zuhörer. Buchanan ist Amerikas Le Pen. Er ist gegen Freihandel und Immigration und zieht gegen Amerikas Verpflichtungen in aller Welt zu Felde. Die USA hätten Hitler getrost in Ruhe lassen, England für Polen nie eine Garantie abgeben sollen, dann hätten Hitler und Stalin sich gegenseitig erledigt. Am heutigen Montag wird der ehemalige Redenschreiber Nixons und Reagans seine Republikanische Partei verlassen. Er will für die dritte, die Reform-Partei antreten.

So verwirrend der Wahl- und Vorwahlkampf dieses Mal in Amerika auch ist, die Fronten beginnen sich zu klären. Aus der Vielfalt schälen sich Lager und Kandidaten heraus. Da wäre zunächst die Republikanische Partei, die im Sommer noch 13 Kandidaten hatte. Letzte Woche schied mit Elizabeth Dole die einzige Kandidatin und vor Wochen schon Dan Quayle, Bushs ehemaliger Vize, aus – nebst einigen völlig unbedeutenden Leuten, an die sich kaum noch jemand erinnert. Spitzenreiter George W. Bush bekommt ernst zu nehmende Konkurrenz von John McCain, dem Senator aus Arizona, der in der letzten Legislaturperiode vor allem dadurch auffiel, dass er vergeblich zwei noble, aber chancenlose Gesetze durchzubringen versuchte: eine Neuregelung der Parteienfinanzierung und eine Regelung der staatlichen Ansprüche an die Tabakkonzerne. Der Vollständigkeit halber muss noch ein gewisser Steve Forbes erwähnt werden, der zwar Milliardär ist und entsprechend keine Parteispenden zu sammeln braucht, von dem jeder Beobachter der politischen Szene Amerikas aber sagt, dass er null Chancen hat.

Auf demokratischer Seite ist die Lage übersichtlicher. Hier wetteifern Clintons Vize Al Gore und der ehemalige Basketball-Star und Senator aus New Jersey Bill Bradley um die Gunst der Demokraten, Kandidat für die Wahl im November 2000 zu werden. Gore widerfährt in gewisser Weise dasselbe wie Dan Quayle. Während letzterer nach ein paar tölpelhaften Ausrutschern auf dem politischen Parkett als ewiger Dummbeutel und Lachnummer gilt, haben die Medien jetzt Gores Steifheit entdeckt. So wie der eine machen konnte, was er wollte, ohne das Etikett der Beschränktheit loszuwerden, so gilt Gore auch im Flanellhemd oder T-Shirt und selbst beim freien Sprechen als „hölzern“ und „einstudiert“. Senator Bradley hingegen gilt als der „Nachdenkliche“ unter den beiden Kandidaten und als Außenseiter, und das, obwohl er meist mit Gore zusammen gestimmt hat, als beide noch im Senat saßen. In den Meinungsumfragen ist Bradley inzwischen an Gore herangerückt.

Dass sich das Feld derart gelichtet hat, noch bevor eine einzige Stimme im Vorwahlkampf abgegeben wurde, der am 24. Januar 2000 in Iowa beginnt, wird auf das viele Geld geschoben, das in Amerikas Wahlkämpfen eine derartige Rolle spielt. Spitzenreiter George W. Bush hat bisher 60 Mio. Dollar an Spenden eingetrieben und damit fast so viel wie alle anderen zusammengenommen. Elizabeth Dole begründete mit diesem Vorsprung denn auch letzte Woche ihr Ausscheiden – und das am Tag, nachdem eine Novelle zur Parteienfinanzierung im Senat gescheitert war. Ihre Polemik gegen den korrumpierenden Einfluss des Geldes hatte freilich etwas Demagogisches, verwischte sie doch den feinen Unterschied zwischen den nach oben unbegrenzten Parteispenden und der streng geregelten Wahlkampffinanzierung.

Die 60 Millionen in Bushs Schatztruhe sind Spenden von Einzelpersonen, die dem Gesetz nach 1.000 Dollar nicht überschreiten dürfen. Während Bush also in der Lage war, einige hunderttausend Leute davon zu überzeugen, dass ein Einsatz von durchschnittlich 300 – 400 Dollar für seine Kandidatur eine lohnende Investition ist, konnten Elizabeth Dole und Don Quayle kaum jemandem glaubhaft machen, dass ihr Wahlkampf sich überhaupt lohne. So spitzt sich der Vorwahlkampf darauf zu, ob im Finale Gore gegen Bush oder Bradley gegen McCain antritt. Erstere Kombination würde als Kampf der Giganten des Establishments, letztere als Auseinandersetzung der Idealisten um Ideen und Ideale angesehen werden. Peter Tautfest