Faust 3
■ Alles noch viel schlimmer: Der höchste Preis fürs Glück ist längst nicht mehr die Seele
Büro in einem Arbeitsamt. Am Schreibtisch sitzen sich zwei Männer gegenüber.
FAUST: Habe nun, ach!
MEPHISTO: Ich weiß: Philosophie,
FAUST: Juristerei und Medizin,
MEPHISTO: Und leider auch Theologie
FAUST: Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.
Da steh ich nun, ich armer Tor,
MEPHISTO: So unvermittelbar wie zuvor!
FAUST: Heiße Magister, heiße Doktor gar,
Und ziehe schon an die zehen Jahr
Herauf, herab und quer und krumm
MEPHISTO: Im Arbeitsamt auf den Fluren
herum.
Doch werd' ich Ihnen nicht helfen können!
FAUST: Das will mir schier das Herz verbrennen.
MEPHISTO: Es sei denn ...
FAUST: Es sei? Nun sagen Sie schon!
MEPHISTO: Es gäb da 'ne Stelle in Iserlohn.
Die suchen haargenau einen wie Sie
Als Grüßaugust in einer Kunstgalerie.
FAUST: Gemacht! Ich nehme sie!
MEPHISTO: Gerne, bloß
Der Deal ist nicht ganz kostenlos.
FAUST: Ich schätze, der Preis wird die Seele sein.
MEPHISTO: Ach, was, mein Lieber, wie
altmodisch! Nein:
Es ist dazu vielmehr nichts weiter vonnöten,
Als einem bestimmten Verein beizutreten,
Indem Sie jetzt brav auf dem Stuhl sitzen bleiben
Und mir einfach dies Formular unterschreiben.
FAUST: Eintrittserklärung? Mein Gott!
MEPHISTO: Je nun,
Der freilich hat damit gar nichts zu tun.
FAUST: Zum Katja-Riemann-Fanclub?
MEPHISTO: Genau!
FAUST: Mann, ich bin echt eine ganz arme Sau!
Doch was bleibt mir übrig?!
MEPHISTO: Dann sind Sie mein Mann!
FAUST: Jemineh ... (unterschreibt)
MEPHISTO: Los, darauf stoßen wir an!
Er holt Schnaps aus dem Schreibtisch und gießt Faust einen großen Schluck ein, den dieser – bestürzt über sein grausames Schicksal – hastig hinunterkippt, während Mephisto einem überlebensgroßen Katja-Riemann-Poster zuprostet, das zu den Klängen von „Freude, schöner Götterfunken“ langsam von oben heruntergelassen wird.
Vorhang.
Joachim Schulz