Wo sind die Menschen von Oekussi?

■ Die multinationale Schutztruppe ist erst jetzt in die osttimoresische Enklave vorgedrungen. Alle Häuser sind zerstört, fast alle Bewohner spurlos verschwunden

Bangkok (taz) – Die Enklave Oekussi war der letzte Flecken osttimoresischer Erde unter Kontrolle der proindonesischen Milizen und musste bitter dafür bezahlen. Zehntausende Menschen sind verschwunden, niemand weiß bislang, was mit ihnen geschah. Von den 50.000 Bewohnern des hügeligen Region sollen dort jetzt nur noch 3.000 leben, sagen Mitarbeiter der UNO und JournalistInnen, die Anfang dieser Woche erstmals nach Oekussi reisen konnten.

Im Städtchen Oekussi fanden sie nur noch ein einziges Gebäude unversehrt vor, die Kirche. Alle anderen Häuser seien „zu 100 Prozent“ verwüstet. Bis vergangenen Freitag, als die multinationale Friedenstruppe Interfet erstmals in der Enklave landete, hätten die Milizen ungehindert gemordet, vergewaltigt und alle Häuser zerstört, erfuhr UNO-Mitarbeiter Patrick Burgess. Angehörige der osttimoresischen Falintil-Guerilla hatten zuvor von einem Massaker berichtet, bei dem über fünfzig Menschen umgekommen seien. Dies konnte bislang aber nicht bestätigt werden.

Oekussi ist eine kleine osttimoresische Enklave im indonesischen Westtimor, Erbschaft der kolonialen Vergangenheit des ehemals portugiesischen Osttimors und Niederländisch-Ostindiens, aus dem Indonesien hervorging. Schon vor dem UNO-Referendum im August waren Oekussis Bewohner besonders gefährdet, da hier nur wenige UNO-Mitarbeiter und internationale Beobachter hinkamen. Die hügelige Region, in der nur ein paar Dörfer und die 10.000-Seelen-Gemeinde Oekussi liegen, befindet sich an der nördlichen Küste der Insel Timor und ist an drei Seiten vom indonesischen Westtimor umschlossen. Obwohl Interfet-Truppen bereits vor fünf Wochen in Osttimor landeten, sah sich ihr Kommandeur Peter Cosgrove bis vergangenen Freitag nicht in der Lage, Einheiten in die abgelegene Region zu schicken. Nach ihrer Ankunft sei die Interfet-Einheit auf 40 mit selbst gebauten Gewehren bewaffnete Milizen gestoßen. Die meisten seien über die Grenze nach Westtimor weggelaufen. Jutta Lietsch