Egal, ob Schein oder Sein

■ Scheinselbstständigkeit: Kriterien werden gelockert. Drei Jahre Schonfrist eingeführt

Berlin (taz) – Existenzgründer dürfen sich freuen. Ihnen legt die Bundesregierung nun wirklich keinen Stein mehr in den Weg, wie Peter Dreßen (SPD) meint. Auch Thea Dückert, Sozialpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, scheut kein Eigenlob. Mit dem gestern vorgelegten Korrekturgesetz zur Scheinselbstständigkeit habe die Regierung auf ernstzunehmende Einwände der Kommunikationsindustrie reagiert.

Wer als Selbstständiger auf Dauer nur für einen Auftraggeber arbeitet, ohne eigene Angestellte zu haben, gilt als so genannter arbeitnehmerähnlicher Selbstständiger. Er muß künftig jedoch nur noch in Ausnahmefällen in die Rentenversicherung einzahlen. Wenn der arbeitnehmerähnliche Selbstständige eine vergleichbare Altersvorsorge hat, etwa in Form einer Lebensversicherung, einer Immobilie oder eines Wertpapiers, wird er nicht versicherungspflichtig. Auch darf er drei Jahre lang erstmalig für nur einen Auftraggeber tätig sein, ohne in die Rentenkasse einzahlen zu müssen. Damit sollen die so genannten Ein-Mann-Firmen entlastet werden. Innerhalb dieser Drei-Jahres-Frist müssen die Betroffenen auch keine entsprechende Altersvorsorge nachweisen.

Im Unterschied zu den arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen gelten als „scheinselbstständig“ jene Erwerbstätige, die drei von fünf Prüfkriterien erfüllen: Sie arbeiten dauerhaft nur für einen Arbeitgeber, erledigen die gleiche Arbeit wie im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer oder haben vorher als Arbeitnehmer das Gleiche getan, sie haben keine Angestellten und treten nicht auf dem Markt als Unternehmer auf.

Die Beweislast, dass eine Scheinselbstständigkeit vorliegt, liegt künftig im Wesentlichen bei den Prüfern der Bundesanstalt für Arbeit (BfA). Nur in Ausnahmefällen soll der Selbstständige selber den Beweis erbringen müssen, kein Scheinunternehmer zu sein. Liegen drei der oben genannten Kriterien vor, können die Prüfer der BfA von den Firmen und dem Betroffenen weitere Auskünfte verlangen. Werden diese innerhalb einer Frist verweigert, darf die BfA vermuten, dass es sich um einen Scheinselbstständigen handelt. Dann müssen ab sofort Beiträge in die Sozialkassen eingezahlt werden. Die Beiträge werden nicht rückwirkend erhoben. Mit diesem Korrekturgesetz soll das seit dem 1. Januar 1999 geltende Gesetz zu Scheinselbstständigkeit wieder eingeschränkt werden – und zwar rückwirkend zum 1. Januar. Nach großen Protesten zu Jahresbeginn hatte die Regierung eine Kommission berufen, welche die jetzt vorliegenden Korrekturen empfohlen hatte. roga