Silberstück bringt Glück

Karens KochKunst – die Serie der taz hamburg für GenießerInnen. Teil 20: Ein kurioses Weihnachtsritual: Der Christmas Pudding  ■ Von Karen Schulz

Gut Ding will Weile haben – es gibt wohl kaum etwas, auf das dieses Sprichwort so passt wie auf den englischen Christmas Pudding. Möglichst früh wird dieses Kurio-sum zubereitet, damit es ausgiebig durchziehen kann. Wahrscheinlich wollten sich die Hausfrauen vergangener Zeiten an Weihnachten so die Herstellung eines Desserts ersparen. Allerdings erfordert dieser Pudding selbst vor dem Servieren noch mehr Aufmerksamkeit als moderne Desserts insgesamt.

Englischer Pudding hat mit unserer Milchcreme nichts gemein: Korrekt heißt diese eigentlich Flammeri. Mit pudding bezeichnet man im Englischen jede Art von Nachtisch sowie eine kuchenähnliche Nachspeise, die in Deutschland noch vor einigen Dekaden als „großer Hans“ bekannt war und mittlerweile zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist. Dafür wird ein Teig angerührt und in einer abgedeckten Form im Wasserbad gedämpft: Das Ergebnis ähnelt entfernt einem Kuchen, doch hat es eine einzigartig saftige Konsistenz.

Für Puddings gibt es unzählige köstliche Rezepte, aber der berühmteste darunter ist der Plum Pudding – eben der Christmas Pudding. Er besteht aus Trockenfrüchten, Nüssen und Zitrusschalen, die in einem Teig mit Guinness, Sirup, frischen Brotbröseln und Nierentalg gebacken werden. Letzeres wurde jahrhundertelang wegen der konservierenden Wirkung verwendet. Damit der Pudding heute auch für VegetarierInnen essbar ist und besser schmeckt, wurde der Talg im Rezept (siehe rechts) durch Butter ersetzt.

Während „normale“ Puddings nur ein bis zwei Stunden gedämpft werden, braucht der Christmas Pudding zunächst mindestens 6-8 Stunden im Dampfbad. Dann soll er wochenlang an einem kühlen Ort ruhen, damit sich die Aromen der Zutaten verbinden. Doch damit nicht genug: Vor dem Servieren wandert das Prachtstück nochmals zwei bis drei Stunden in den Ofen, um dampfend das Weihnachtsmahl zu beschließen.

Wer sich an das diesjährige Dessert machen will, muss nicht extra eine spezielle Pudding-Form anschaffen: Eine ofenfeste Porzellanform mit 1,6 Liter Inhalt oder zwei halb so große tun es auch. Verschlossen werden diese mit einem Stück Backpapier, das in der Mitte zweimal gefaltet wird, damit der Pudding Platz hat, sich auszudehnen. Wichtig ist beim Kochen, das verdampfte Wasser regelmäßig durch kochendes aufzufüllen, schließlich soll der Pudding gedämpft, nicht gebacken werden.

Als Beilage zum Pudding gibt es traditionell Brandy-Butter: Dafür zimmerwarme Butter mit der gleichen Menge Puderzucker glatt rühren, dann mit Zitronensaft und –schale sowie Brandy abschmecken und im Kühlschrank fest werden lassen. In England verziert man den Pudding außerdem mit Stechpalmenzweigen und serviert ihn in Flammen.

Einem alten Brauch entsprechend rührt jedes Familienmitglied den Teig bei der Zubereitung einmal um und wünscht sich dabei etwas. Dann wird ein Silberstück im Teig versenkt, und wer es beim Essen in seinem Puddingstück wiederfindet, dessen Wunsch soll in Erfüllung gehen. Ob da manche Köchin heimlich gehofft hat, mal ein Jahr von der aufwendigen Pudding-Zubereitung verschont zu bleiben?