Wie ein welkes Blatt im Wind“

■  Sozialverbände feilschen bei der Rente um ein Zehntel Prozent. Denn die Inflationsrate wird voraussichtlich langsamer steigen als bisher angenommen. Struck: „undramatisch“

Berlin (AP/AFP/dpa) – Im Streit um die Rentenanpassung will die Bundesregierung trotz wachsender Proteste hart bleiben. Es sei „undramatisch“, wenn sich die Renten im nächsten Jahr nur um 0,6 Prozent statt um 0,7 Prozent erhöhten, erklärte SPD-Fraktionschef Peter Struck gestern in Berlin. Es bleibe dabei, dass die Renten so erhöht werden, „wie sich die Preise entwickeln“. Deshalb sei das Jahresende abzuwarten, erst dann sollten die Raten festgelegt werden.

Nach jüngsten Prognosen der Wirtschaftsforschungsinstitute ist im nächsten Jahr eine Inflationsrate von 0,6 Prozent zu erwarten. Bislang war Arbeitsminister Riester von 0,7 Prozent ausgegangen. Die Bundesregierung habe „einen Inflationsausgleich und damit eine Sicherung der Kaufkraft zugesagt – egal, wie sich die Preise entwikkeln“, erklärte SPD-Fraktionsvize Ulla Schmidt in der Neuen Osnabrücker Zeitung. Auch die Vorsitzende des Finanzausschusses, Christine Scheel (Grüne), wies Überlegungen zurück, die Renten stärker zu erhöhen und damit der Union entgegenzukommen. Der Fraktionsvize der Union, Hermann Kues, erklärte indes, die Finanz- und Rentenpolitik der Bundesregierung bewege sich „wie ein welkes Blatt im Wind“. Jeder „Hauch“ aus dem Finanzministerium oder von den Tarifparteien gebe ihr „eine neue Richtung“.

Sozialverband VdK und Deutscher Beamtenbund drohten erneut mit verstärktem politischem Druck. VdK-Präsident Walter Hirrlinger kündigte in der Berliner Tageszeitung B.Z. an, jeder einzelne Bundestagsabgeordnete werde wegen der Rente in seinem Wahlkreis ins Gebet genommen. Er forderte die Bundesregierung auf, im Gesetz einen Prozentsatz für die künftigen Erhöhungen der Rente festzuschreiben. Gleichzeitig bekräftigte er die Forderung nach einer modifizierten Nettolohnanpassung der Renten.

IG-Metall-Chef Klaus Zwickel erneuerte unterdessen seine Forderung nach Rente mit 60. „Ein Krieg zwischen den Generationen“ finde deswegen nicht statt. Die Rente mit 60 ist nach den Worten von ÖTV-Chef Herbert Mai beschlossene Sache. Allerdings glaube er nicht, dass sie schon Gegenstand der nächsten Tarifverhandlungen sein könne, erklärte Mai dem Berliner Tagesspiegel. Sie komme frühestens 2001. Mai plädierte dafür, die Rente mit 60 auch für den öffentlichen Dienst zu verwirklichen.

Der Deutsche Beamtenbund lehnte die Rente mit 60 erneut ab. DBB-Chef Erhard Geyer sagte, das Vorhaben sei „eine Scharlatanerie“. Die Rente mit 60 sei nicht finanzierbar und belaste die jetzt noch im Arbeitsleben Stehenden.