Der 4. November

■ Eine Million Menschen demonstrierten vor zehn Jahren auf dem Alexanderplatz

Es war die größte Demonstration der DDR und zugleich ihre erste unabhängige. Am Vormittag des 4. November 1989, einem Samstag, versammelten sich fast eine Million Menschen auf dem Berliner Alexanderplatz, um der SED-Führung endgültig die rote Karte zu zeigen. Den vielleicht berühmtesten Satz dieser Kundgebung sagte der Schriftsteller Stefan Heym: „Es ist, als habe einer die Fenster aufgestoßen nach all den Jahren der Stagnation, nach all den Jahren der Dumpfheit und des Miefs, des Phrasengewäschs und bürokratischer Willkür.“

Die vom Theaterverband der DDR initiierte Kundgebung, geleitet vom Schauspieler Henning Schaller vom Max-Gorki-Theater, war ein Spiegelbild des politischen Aufbruchs in den Tagen vor dem Mauerfall. Ein Aufbruch, den nahezu alle Redner und Rednerinnen mit der Forderung nach einem menschlichen, demokratischen Sozialismus umschrieben oder, wie es Christa Wolf sagte: „Stell dir vor, es ist Sozialismus und alle bleiben hier.“

Noch bis zum Vortag der Demo hatte der Ostberliner Magistrat versucht, diese im Sinne der Parteiführung umzufunktionieren. Umsonst. So war es lediglich Markus Wolf und Günter Schabowski vorbehalten, die Dialogbereitschaft der SED unter Beweis zu stellen. Das Publikum quittierten den Auftritt der beiden mit einem Pfeifkonzert. Obwohl fast eine Million zum Alex gekommen waren und sich, wie es Christoph Hein nannte, damit von Objekten zu Subjekten wandelten, ging bei vielen die Angst vor den Sicherheitskräften mit. Die aber hielten sich zurück. Nur für den Fall, dass die Menge auf die Mauer am Brandenburger Tor zustürmte, war ein „heißer Draht“ nach Moskau und in die Zentrale der sowjetischen Streitkräfte nach Wünsdorf geschaltet.

Unvergesslich bleibt die Demo vom 4. November, vom DDR-Fernsehen übertragen, auch wegen ihrer vielen Transparente. Die Parolen wie „Kein Artenschutz für Wendehälse“ wurden im Anschluss an die Kundgebung eingesammelt und landeten später im Deutschen Historischen Museum.

Uwe Rada