Mann mit brillanten statistischen Kenntnissen

■ Christian Sautter heißt Frankreichs neuer Minister für Wirtschaft, Finanzen und Industrie

Paris (taz) – Es wird ein mühsamer Schritt aus einem breitschultrigen Schatten ins Rampenlicht werden. Das zeigte sich bereits gestern, als Frankreichs neuer Minister für Wirtschaft, Finanzen und Industrie, Christian Sautter, im Innenhof des Elysée-Palastes sein erstes Interview auf Englisch versuchte. Obwohl er dabei Franglish redete, war die Lobeshymne auf seinen Vorgänger klar. Der Neue nannte den Alten „klar“, „großzügig“ und „dynamisch“ und versprach, „in Kontinuität und mit aller Kraft“ dessen „sehr erfolgreiche“ Arbeit fortzusetzen.

Die anstehenden Dossiers kennt Sautter vermutlich ebenso gut wie sein Vorgänger Strauss-Kahn, der angesichts eines auf ihm lastenden Korruptionsverdachtes und eines drohenden Ermittlungsverfahrens am Dienstag zurückgetreten war. Denn Sautter zog ebenfalls im Juni 1997 in das große Ministerium in Bercy ein – damals als Staatssekretär für Haushaltsfragen. Seither wirkte der 59jährige, der französische Eliteschulen für Politologie und für Wirtschaftswissenschaften absolviert hat, auf Japan spezialisiert ist (worüber er zehn Bücher veröffentlicht hat), und ein Mann mit brillianten statistischen Kenntnissen ist, vor allem im Hintergrund, aber stets im Gleichschritt mit Strauss-Kahn.

Wie sein Vorgänger ist Sautter ein langjähriger Weggefährte von Jospin, dessen Präsidentschaftskampagne im Jahr 1995 er mitorganisierte. Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen 1997 zeichnete er für das Wirtschaftsprogramm verantwortlich. Anders als sein Vorgänger hat Sautter wenig Erfahrung im Umgang mit den Medien und bislang weniger Leichtigkeit auf dem diplomatischen Parkett bewiesen. So viele Duzfreunde im internationalen Finanzgeschäft wie Strauss-Kahn sind bei dem Neuen auch nicht bekannt. Seit Sautter 1982 Generalsekretär im von François Mitterrand präsidierten Elysée-Palast wurden, nennen ihn die Journalisten „la carpe“ – den Karpfen –, weil er so schweigsam ist.

Schon in den nächsten Wochen stehen „la carpe“ eine Menge Herausforderungen bevor. Auf der internationalen Bühne muss er die französischen Wünsche nach einer globalisierten, aber kontrollierten internationalen Wirtschaft vertreten. Auf nationaler Ebene wird von ihm erwartet, dass er sowohl Steuererleichterungen für die Mittelschicht als auch die mehrfach verschobene Rentenreform vorbereitet. Dorothea Hahn