Paten für DDR-Naturerbe

■ Nabu fordert, Verkaufsstopp von Schutzgebieten endlich per Gesetz zu regeln

Berlin (taz) – Naturschutzflächen in Ostdeutschland könnte wieder der Verkauf drohen. Der Bundestag will nächste Woche eine Novelle zum so genannten Vermögensrechtsergänzungsgesetz beraten, das eigentlich den Verkaufsstopp von ostdeutschen Naturschutzgebieten gesetztlich verankern sollte. Doch bislang ist der Verkaufsstopp in der Gesetzesvorlage nicht enthalten. Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) kritisierte gestern in Berlin, dass die rot-grüne Bundesregierung nun „Gefahr läuft, in einer für den Naturschutz vitalen Frage wortbrüchig zu werden“, so Präsident Jochen Flasbarth.

Rückblick: Mit der Wiedervereinigung 1990 fielen zahlreiche ostdeutsche Wiesen, Wälder und Äcker dem Bundesvermögen zu und sollten veräußert werden. Die bundeseigene Bodenverwertungs- und Verwaltungs GmbH (BVVG) übernahm den Verkauf von einer Million Hektar land- und 600.000 Hektar forstwirtschaftlicher Flächen für die Hälfte des offiziellen Verkaufswertes. Ein Schnäppchenmarkt mit Schönheitsfehler, denn Teile von Nationalparks, Biosphärenreservaten und Naturparks wurden gleich mit verscherbelt. Gegen den Ausverkauf des „Tafelsilbers der deutschen Einheit“, wie der damalige Bundesumweltminister Klaus Töpfer die ostdeutschen Schutzgebiete nannte, liefen Naturschützer aller Couleur Sturm.

Doch erst der Regierungswechsel im Oktober 1998 brachte einen sofortigen Verkaufsstopp des Naturerbes der DDR – per Erlaß des damaligen Finanzministers Lafontaine. Seine Verfügung sollte solange greifen, bis der Verkaufsstopp gesetzlich verankert sei. Dies hätte jetzt mit Vorlage des Vermögensrechtsergänzungsgesetz geschehen können.

Doch die „Einlösung eines Wahlversprechens“ (Nabu) läßt auf sich warten. Als Grund wird eine noch nicht ausreichende Datenbasis der Länder angeführt.

Demnach scheint unklar zu sein, um wieviel Hektar Naturschutzflächen es sich tatsächlich noch handelt. „Der Verkaufsstopp soll aber während des parlamentarischen Verfahrens noch in das Gesetz aufgenommen, sobald alle Zahlen vorliegen“, hieß es aus dem Büro der naturschutzpolitischen Sprecherin der Grünen, Sylvia Voß. Dagegen befürchtet Nabu-Präsident Flasbarth eher, „dass die Bundesregierung den derzeitigen Verkaufsstopp nicht dauerhaft durchhalten will“.

Nach Schätzung des Nabusind in Ostdeutschland noch über 100.000 Hektar Schutzgebiet von der Privatisierung betroffen. „Wenn Bund und Länder die Flächen nicht selbst für den Naturschutz in ihrer Obhut behalten wollen, könnten Naturschutzverbände als Träger für das Naturerbe einspringen“, schlug Flasbarth gestern vor. Voraussetzung für dieses „Paten“-Modell, das in Holland und England funktioniert, sei jedoch, dass geschützte Gebiete kostenlos auf Naturschutzverbände übertragen und laufende Kosten vom Staat gedeckt würden. Grünen-Naturschutzsprecherin Sylvia Voß hat diese Lösung begrüßt, schränkte aber ein: „Der Bund muß auch nach der kostenfreien Abgabe aber eine Kontrollfunktion behalten.“ Ute Mattigkeit