Gauck ans Rednerpult

■ Bundestagsfraktionen sollen über die Rednerliste zum 9. November entscheiden

Berlin (taz) – Die Rednerliste für den Festakt des Bundestages zum zehnten Jahrestag des Mauerfalls ist wieder offen. Parlamentspräsident Wolfgang Thierse hat in der nicht-öffentlichen Sitzung des Ältestenrates am Donnerstag vorgeschlagen, der Stasi-Beauftragte und frühere Rostocker Pfarrer Joachim Gauck solle am 9. November reden. Dafür sollten die Reden von Altbundeskanzler Helmut Kohl (CDU) und Regierungschef Gerhard Schröder (SPD) entfallen. Wie die Bundestagspressestelle mitteilte, wurden die Fraktionen gebeten, sich schnellstmöglich dazu zu äußern.

Der Pressesprecher der Grünen, Dietmar Huber, sagte der taz, Thierse habe damit auf einen Vorschlag der Grünen reagiert. Fraktionschef Rezzo Schlauch habe zuvor bei Gauck angefragt. Dieser habe bereits seine grundsätzliche Bereitschaft erklärt, aus Anlass des Jahrestages am 9. November zu sprechen. Schon am Vortag hatte CSU-Landesgruppenchef Michael Glos den ehemaligen DDR-Bürgerrechtler Gauck als Redner ins Gespräch gebracht.

Im Ältestenrat übten allerdings die Vertreter von CDU und PDS Kritik an dem Vorschlag, wie die dpa erfuhr. Gewöhnlich werden in dem Gremium Beschlüsse nur im Konsens gefasst. Ob eine endgültige Entscheidung noch am Freitag bekannt gegeben wird, blieb zunächst unklar.

Bündnis 90/Die Grünen hatten schon vor der Sitzung des Ältestenrats darauf gedrungen, das Thema erneut zu beraten. „Nach den jüngsten Diskussionen muss der Ältestenrat einfach reagieren“, forderte ihre stellvertretende Fraktionsgeschäftsführerin Steffi Lemke gestern in der taz.

Zuvor hatten vor allem ostdeutsche Bürgerrechtler Kritik geübt. Friedrich Schorlemmer sprach gegenüber der taz von einer „geschichtlichen Verfälschung“. Nicole Maschler