Pasko for President

■ Ein Marineoffizier enthüllte einen Atommüllskandal – und kandidiert nun auf der Liste einer Umweltschutzgruppe für die Duma

Die Umweltschutzgruppe „Kedr“ (Zeder) führt einen prominenten verurteilten Spion auf ihrer Liste für die Wahlen zur russischen Staatsduma. Grigory Pasko, Ex-Marineoffizier und Redakteur von Bojewa Wachta, der Zeitschrift der russischen Pazifikflotte.

Paskos Spionagecoup ereignete sich 1993, als er filmte, wie Marineschiffe nukleare Abfälle im Japanischen Meer versenkten. Bojewa Wachta berichtete darüber, und auch ein lokaler TV-Sender sowie das japanische Fernsehen NHK und die Tageszeitung Asahi Shimbun erhielten das Material. Allerdings waren dies nicht die ersten Berichte über die mörderische Praxis der russischen Militärs, Umweltschützer hatten längst unumstößliche Beweise erbracht. Es darf deshalb darüber spekuliert werden, was die fatalen Folgen für Pasko provozierte: die Tatsache, dass er selbst Angehöriger der Marine war oder aber seine Berichte über Verstrickungen des russischen Geheimdienstes FSB in illegale Atommülltransporte sowie die Verschleuderung von ausländischen Kreditmitteln, die eigentlich für die sachgerechte Entsorgung des Atommülls gewährt worden waren. Unklar ist auch, warum Pasko erst vier Jahre später, im November 1997, verhaftet und der „Weitergabe von Staatsgeheimnissen an ausländische Organisationen“ angeklagt wurde.

Klar ist hingegen, dass der Prozess gegen ihn allen rechtsstaatlichen Normen Hohn sprach – nicht zuletzt der Europäischen Menschenrechtskonvention, die Angeklagten ein zügiges Verfahren garantiert. Menschenrechtsorganisationen wie Reporter ohne Grenzen und amnesty international bombardierten die russische Regierung mit Protesten – ohne Erfolg. Als Pasko am 20. Juli dieses Jahres vom Vorwurf Spionage freigesprochen wurde, hatte er bereits 20 Monate unter dieser Anklage in Untersuchungshaft gesessen. Verurteilt wurde er stattdessen wegen „Amtsmissbrauchs“ zu drei Jahren Haft – aufgrund eines Amnestie-Erlasses musste er diese Strafe jedoch nicht antreten.

Wenn er tatsächlich in die Duma kommt, wird er sich wohl vor allem für die Einhaltung von Artikel 41 und 42 der russischen Verfassung einsetzen: Diese bedrohen jeden mit Strafe, der die Verbreitung von Berichten über den Zustand der Umwelt sowie über Störfälle mit lebensbedrohlichen Folgen behindert.

Jochen Siemer