Gerüchte über Tod des Pantschen Lama

■ Seit 1995 kein Lebenszeichen mehr vom Pantschen Lama, den Peking nicht anerkennt. China dementiert Todesmeldung

Berlin (taz) – Die chinesische Regierung hat einen Bericht dementiert, dass der zehnjährige tibetische Junge Choekyi Nyima im Oktober in der Haft gestorben sei. Er war im Mai 1995 vom im Exil lebenden Dalai Lama nach einem komplizierten Verfahren als Reinkarnation des 10. Pantschen Lama, des zweithöchsten Führers der tibetischen Buddhisten, ausgewählt worden. Kurz darauf verschwanden er und seine Eltern, während Chinas Behörden eine eigene Reinkarnation des Pantschen Lama präsentierten.

Die dissidentennahe Freie Nachrichtenagentur China in Hongkong hatte diese Woche unter Berufung auf Kreise der bewaffneten Polizei in der Provinz Gansu berichtet, eine eigens zusammengestellte bewaffnete Sondereinheit des Lanzhou-Gefängnisses Nr. 1 habe die Leiche eines als Kriminellen bezeichneten Jungen am 19. Oktober in ein Krematorium am Stadtrand der Provinzhauptstadt Lanzhou gebracht. Der Körper des Jungen soll dem des vom Dalai Lama ausgewählten Pantschen Lama sehr ähnlich gewesen sein.

Wie die Hongkonger Tageszeitung South China Morning Post gestern berichtete, dementierten Beamte des Gefängnisses in Lanzhou den Bericht. Der Generaldirektor des Amtes für Religiöse Angelegenheiten, Ye Xiaowen, bezeichnete in Peking den Bericht als pures Gerücht.

Von dem vom Dalai Lama ausgewählten Pantschen Lama und seiner Familie fehlt seit 1995 jede Spur. Menschenrechtler nennen Choekyi Nyima deshalb den „jüngsten politischen Gefangenen der Welt“. Die amtliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua räumte 1996 ein, dass die Regierung den Jungen verstecke, damit er nicht von tibetischen Separatisten gekidnappt werde. Alle Berichte sind von unabhängiger Seite nicht zu überprüfen. Der Pantschen Lama spielt eine Schlüsselrolle bei der Auswahl der Reinkarnation des zukünftigen Dalai Lama. Sven Hansen