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: Glückskeksweisheit gg. Heilsbringerwahn

„Schimanski: Sehnsucht“, So., 20.15 Uhr, ARD

Ein Generationskonflikt: LKA-Frischling Thomas Hunger (Julian Weigend) sieht aus wie ein Oasis-Mitglied – und er redet auch so. „27, schneller, härter, besser, nur nicht schwul“ lautet seine Eigenwerbung. Ex-Kommissar Schimanski (Götz George) hingegen sieht aus, als wären die 80er nie zu Ende gegangen – und auch er redet so: „Ist doch alles Kinderkacke!“ Hier die Föhnfrisur mit Glückskeksweisheiten, dort der kraftmeiernde alte Knochen im Heilsbringerwahn. Welcher Altersklasse fühlen Sie sich verbunden?

Wahrscheinlich keiner, und darin liegt das Problem dieser „Schimanski“-Episode, in der die beiden unterschiedlichen Ermittler aufeinander treffen: Der aseptisch daherkommende Karrieristenschwachmat Hunger ist genauso überzeichnet wie der Hygiene verabscheuende Charmebolzen Schimanski. Für die unregelmäßige Rückkehr der „Schimanski“-Macher in den immer etwas übel riechenden Ruhrpott-Kosmos kann es eigentlich nur einen Grund geben: Hier kann man lieb gewonnene Rollenmuster von zu Unrecht verfolgten Underdogs aufwärmen. Der Verhaltens- und Dresscode in Schimmi-Country ist konservativ: Echte Kerle tragen Walrossschnauzer und ausgebeulte Jacken, beim Anklopfen schlagen sie schon mal die Tür ein.

Aber hat man die sympathischen Grobiane erst mal am Kneipentresen träumen sehen, weiß man: Die Bösen wohnen woanders, in schicken Villen nämlich, und sie sind Politiker. Manchmal haben sie auch eine ehemalige Porno-Aktrice zur Frau. Erpressung und Mord lassen da natürlich nicht lange auf sich warten. Eben wie in „Sehnsucht“, wo der ehemalige Bulle designierten Ministerpräsidenten und heruntergekommenen Schmutzfilmproduzenten das Leben zur Hölle macht. Gegen Ende zerstört Schimanski sogar wütend das Wandschrankarchiv von Kinderpornohändlern. Mit dieser Brechstange der Menschlichkeit ist eben wirklich nicht zu spaßen. Christian Buß