Auf Du und Du mit dem Atom
: Baum und Borke

■ Grüne wollen im März ihre Bilanz in Sachen Atomausstieg ziehen

Die Realität hat die Grünen eingeholt, ihre Glaubwürdigkeit steht beim Atomausstieg auf dem Spiel. Aus diesem Grund hatten Bremens Grüne am Montag ins Konsul-Hackfeld-Haus geladen, um mit der Basis über Anspruch und Wirklichkeit grüner Atompolitik im Jahr 1 nach dem Regierungswechsel zu diskutieren.

Ob und wie sich der Ausstieg doch noch umsetzen lässt und welche Folgen das für die Partei hat, das sollten Rebecca Harms, Fraktionsvorsitzende der Partei im niedersächsischen Landtag und längjährige Anti-AKW-Aktivistin in der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg, und Peter Willers von der Aktionskonferenz Nordsee beantworten.

„Wir stecken da zwischen Baum und Borke,“ räumte Harms ein. „ Sie befürchtete einen Konsens mit der Industrie, der den Namen Ausstieg nicht verdient. „Restlaufzeiten von 35 Jahren sind für mich und die meisten Grünen kein Erfolg“, betonte sie. Andererseits ist der Ausstieg ihrer Einschätzung nach auch mit einem Gesetz nicht gegen den Willen der Energieerzeuger zu erzwingen. „Ich bezweifele, ob mit der SPD eine wirksame Verordnung verabschiedet werden kann. Und ein jedes Ausstiegs-Gesetz würde von den Energieerzeugern beklagt und dann vom Verfassungsgericht weiter abgefedert werden.“

Eine kniffelige Situation für eine Partei, die seit dem Regierungswechsel noch keine handfesten Erfolge für die eigene Basis vorzuweisen hat. Im Gegenteil: Die Novellierung des Atomgesetzes kommt nicht vom Fleck, der Schacht Konrad im Wendland wird immer wahrscheinlicher, und ein Zwischenlager beim Kernkraftwerk Lingen ebenfalls – allesamt Projekte, deren Verhinderung der grünen Basis am Herz liegen. Harms erklärte deshalb, der niedersächsische Landesverband der Partei wolle durchsetzen, dass bei der Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen im März schonungslos Bilanz gezogen werde. „Die Regierungsmitglieder müssen dem Rest der Partei ehrlich aufzeigen, welche Vorschläge sie haben, welche Verfahren sie verfolgen, wie die Regierungsvorlagen zu dem Thema aussehen.“ Anhand dieser Einschätzung sollte die Basis eine Chance bekommen, die Koalition neu zu bewerten: „Lohnt es sich, mit Blick auf diese Atompolitik in der Regierung zu bleiben? Dies müssen wir uns beantworten.“

Umweltschützer Peter Willers, als Vertreter der Bürgerini-tiativen geladen, formulierte die Distanz zum grünen Regierungsprojekt noch drastischer. „Das Wort Konsens ist Gesülze“, sagte er. „Die Bürgerinitiativen wollen noch immer den sofortigen Ausstieg, nichts anderes. Das ist mit den Energieversorgern nicht zu machen. Also muss mehr Druck her.“ Diese markigen Worte gefielen der Basis, aber Willers muste auch einräumen: „Woher der Druck kommen soll, ist mir allerdings auch schleierhaft.“

Das Dilemma von Grünen und Anti-AKW-Bewegung liegt also in der Machtfrage: Für den Ausstieg sind alle. Wie er durchgesetzt werden soll, weiß keiner. „Wir müssen uns darüber klar werden, dass wird nicht 20 oder 30 Prozent im Land haben, sonden sechs“, mahnte der Bremer Landesverbandssprecher Klaus Möhle. „Die Erwartungen, die wir vor einem Jahr nach der Wahl hatten, waren einfach zu hoch.“ Lars Reppesgaard