Als das Sterben in den Konzentrationslagern begann

■ 9.845 Juden wurden nach den Pogromen der „Kristallnacht“ nach Buchenwald verbracht

Weimar (taz/dpa) – Buchenwald im Regen. Der Himmel hing tief über dem Ettersberg, als gestern ein Grüppchen von 80 Menschen auf dem riesigen Gelände des ehemaligen KZ der Opfer der Pogromnacht vom 9. November 1938 gedachten. Auf seiner Südseite aber, wo früher die DDR nationale Gedenkfeiern inszenierte, stand das Mahnmal von 1958 verwaist. Die wenigen Besucher fuhren durch bis zum ehemaligen Lager am Nordhang. Mit dem DDR-Denkmal wollte die Gedenkstätte Buchenwald zehn Jahre nach der Wende nichts mehr zu tun haben. Längst hat man sich hier auf die KZ-Geschichte als solche besonnen: auf die Gechichte des Konzentrationslagers Buchenwald 1937 – 1945.

Gerade ein Jahr stand das KZ über der Klassikerstadt Weimar, als Heydrichs Sicherheitsdienst (SD) direkt nach der Pogromnacht, zwischen 10. und 14. November, 1938 9.845 jüdische Männer und Jungen aus Frankfurt/Main und Thüringen hierher verschleppte. Sie sollten damit zur Aufgabe ihres Besitzes und zum schnellen Verlassen des Landes gezwungen werden. In einem provisorischen Zelt- und Barackenlager verbrachten die Häftlinge bis zu drei Monaten – 256 von ihnen starben. Jugendliche aus Europa – von Rumänien bis Holland – verlasen gestern auf dem einstigen Appellplatz ihre Namen. Im Kulturstadtjahr hatten sie in der Gedenkstätte unter dem Motto „deep space Weimar – planet Buchenwald“ ein soziales Jahr verbracht.

Während unten im Tal das Kulturstadtjahr Weimar '99 gestern mit großem Tamtam zu seinem Abschluss gebracht wurde, war in der Gedenkstätte weder davon noch von den Wendefeiern etwas zu spüren. In einer kurzen Ansprache beschrieb der Direktor der Gedenkstätte, Walter Mönch, die Situation der Häftlinge. „Das ist ein Totengedenken – wir machen keine Aktualisierung an diesem Tag“, so seine Mitarbieter. In Berlin beklagt unterdessen der Freundeskreis der Israelitischen Synagogen-Gemeinde, dass der „9. November 1938 unter den vielen Gedenktagen unterzugehen“ drohe, und Mario Offenberg, der Geschäftsführer der Gemeinde, betonte den symbolischen Charakter dieses Datums: „Vor 61 Jahren sind die deutschen Juden binnen einer Frist von Sekunden geschändet und zu Unmenschen gemacht worden.“ Fritz von Klinggräff