„Was ist, wenn mir die Haare ausgehen?“

■ Jean-Marc Barr über gut aussehende Typen, Freiheit und sein Regiedebüt Lovers

Nach Das Fest, Idioten und Mifune kommt nun mit Lovers der erste nicht-skandinavische Dogma-Film vom französischen Schauspieler Jean-Marc Barr in die Kinos. Die englischsprachige Liebesgeschichte zwischen einer französischen Buchverkäuferin (Elodie Bouchez) und einem abgebrannten Künstler aus Jugoslawien (Sergej Trifunovic), der sich illegal in Paris aufhält, ist das Regie-und Kameradebüt von Jean-Marc Barr, der mit The Big Blue von Luc Besson 1988 weltbekannt wurde und in mehreren Filmen von Dogma-Co-Gründer Lars von Trier (Europa, Breaking the Waves) mitspielte.

taz: Haben sie sich inzwischen vom kommerziellen Kino verabschiedet?

Jean-Marc Barr: Ich bin ja eigentlich Amerikaner, auch wenn ich in Deutschland geboren wurde. Mein Papa ist Amerikaner, die Mutter Französin. Der Grund wa-rum ich die USA verließ, war ein kultureller. Ich kam nach England und Frankreich, um Theater zu machen. Als mir Luc Besson in Im Rausch der Tiefe diese Rolle gab, war das sehr schön. Der Erfolg und die damit verbundene Dimension machten es aber unmöglich, noch etwas anderes zu machen. Ich wäre dazu verdammt gewesen, Rollen zu spielen, in denen ich der junge, gut aussehende Typ bin. Damit wäre es vorbei gewesen, sobald mir die Haare ausgehen.

Schlugen Sie bewusst Angebote in kommerziellen Filmen aus und spielten lieber bei Lars von Trier?

Gleich nach dem Film von Luc Besson gab es ein Angebot aus Hollywood und die Möglichkeit, in London in einem Stück von Tennessee Williamas zusammen mit Vanessa Redgrave zu spielen. Da ich immer noch die Mentalität eines amerikanischen Touristen hatte, wollte ich lieber am Westend spielen. Aber ich bin sicher, dass ich längst vergessen wäre, hätte ich ein paar Jahre lang in großen kommerziellen Filmen mitgewirkt. Ich kenne den Erfolg. Wenn man zu viel Geld verdient, wird man faul und feige. Meine Frau ist Jugoslawin. Ihre Werte und Traditionen stehen denen in den USA gegenüber. Das respektiere ich, deshalb bin ich als Produkt des Zweiten Weltkriegs Europäer, mehr noch als Franzose.

Haben Sie „Lovers“ deshalb auf Englisch gedreht?

Englisch ist die Basis dieses Kontinents. Die Generation von Elodie Bouchez und Sergej Trifunovic spricht fließend Englisch. Außerdem hat Lars von Trier mit Breaking the Waves bewiesen, dass ein Film, der in seiner Erzählstruktur auf den kulturellen und filmischen Entwicklungen in Europa aufbaut, in Englisch internationalen Erfolg haben kann. Das ist eine Alternative zu Hollywood. Mit Lovers wollten wir eine Liebesgeschichte drehen, die uns der Zuschauer abnimmt.

Was fasziniert Sie an den Möglichkeiten von Video?

Durch das niedrige Budget von 5 Millionen Francs hat man eine völlige Freiheit, im Hinblick auf das Drehbuch, die Regie und den Schnitt. Die koproduzierenden Sender TF 1 und Canal Plus International haben sich nie eingemischt. Wir hatten völlige Freiheit so wie manche Filmemacher Anfang des Jahrhunderts. Es war wichtig 1999, in diesem Esprit noch einmal Filme drehen zu können, mit einer kleinen Crew, Schauspielern, die wieder frei agieren können und nicht unter dem Diktat des Kameramanns und dem gebauten Licht stehen.

Jörg Taszman

Lovers: Holi und Studio