■ Der Chef des Weltwährungsfonds Michel Camdessus gibt auf: Rechtzeitiger Abschied
Michel Camdessus hat keine Lust mehr und will zwei Jahre vor Ablauf seiner Amtszeit in Rente. Vielleicht hat auch der Weltwährungsfonds (IWF) keine Lust mehr auf Camdessus nach 13 Jahren und glaubt, mit ihm auch die Kritik loszuwerden. Der Zeitpunkt des Abschieds ist nicht ungeschickt, weder für den IWF noch für Camdessus: Die Konjunkturdaten zeigen nach oben, die schlimmsten Währungskrisen scheinen bewältigt, die Unkenrufe über schwarze Freitage in der Finanzwelt bewahrheiten sich nicht. Das würden sich Camdessus und IWF gern auf die Fahnen schreiben.
Dem 66-jährigen Camdessus sei der Ruhestand gegönnt. Dem IWF täte eine Ruhepause aber auch gut. Seit fast 55 Jahren verschreibt diese 2.700-Mann-Behörde anderen Ländern Strukturanpassungsmaßnahmen, die diese nicht einhalten, weil sie es nicht können oder weil sie es nicht wollen. Praktisch alle armen Mitgliedsländer haben mehrere dieser Programme durchlaufen, ihre Regierungen haben gelogen und betrogen und Schulden angehäuft, um an Geld zu kommen. Funktioniert hat es immer nur dann, wenn Regierung und Bevölkerung es selber wollten – und nicht, wenn der IWF es wollte.
Hunger, Revolten, Krisen, Diktaturen waren oft genug die Konsequenzen der Zwangsmaßnahmen. Geholfen haben die Programme wenig: Die Krisen sind nicht weniger, sondern mehr geworden. Immer atemloser rennt der IWF ihnen besonders seit 1990 hinterher und verteilt Geld und Rügen: Mexiko 1994 (20 Milliarden Dollar von Clinton, 17 Milliarden Dollar vom IWF), 1997 Thailand (58 Milliarden Dollar), Russland 1998 (22,6 Milliarden plus Krise 1999). Im April sagte Camdessus, es scheine, dass die Krisen vorbei seien. Seit Oktober steht Ecuador am Abgrund. Die meisten Länder Schwarzafrikas sind noch nie aus der Dauerkrise herausgekommen.
Seit neuestem versucht der IWF Armutsbekämpfung als (Neben-)Ziel zu verkaufen und denkt laut über Kontrollen in der Finanzwelt nach. Solche Reparaturen sind sinnlos, wenn das Credo „Freie Welt für freie Waren“ dasselbe bleibt, Militärhaushalte keine Rolle spielen bei den auferlegten Sparmaßnahmen und vor allem kein Mensch in dieser Washingtoner Kommandozentrale für die Konsequenzen dieser Politik Verantwortung tragen muss. Camdessus hat diese Politik 13 Jahre mitgemacht und mitgeprägt. Der IWF 55 Jahre. Höchste Zeit für eine Pause zum Nachdenken über den Währungsfonds im Allgemeinen und Besonderen. Maike Rademaker
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