Schandmauer in Usti nad Labem könnte bald fallen

■ Staat will Tschechen, die nicht mit Roma zusammenleben wollen, ihre Häuser abkaufen

Prag (taz) – Nicht einmal hinter dem Großen Teich hat Miloš Zeman seine Ruhe. Der tschechische Premierminister musste während seines Amerika-Besuchs US-Präsident Bill Clinton persönlich auf die Frage nach der Mauer von Usti Rede und Antwort stehen. Der Druck von außen scheint zu wirken: Um die internationale Peinlichkeit endlich aus Nordböhmen zu schaffen, will die tschechische Regierung nun zahlen.

Bis zu zehn Millionen Kronen sollen aus der Staatskasse nach Usti fließen, damit die Tschechen aus der Maticni-Straße ihre Häuser der Stadt verkaufen und umziehen können. „Das wäre schön. Wenn sie wirklich unsere Häuser kaufen, wäre das so eine gute Nachricht, dass ich nach Jahren endlich mal wieder gut schlafen kann“, freut sich Maticni-Bewohnerin Jana Lochmanova in der tschechischen Tageszeitung Pravo. Milan Knotek, Sprecher des Magistrats von Usti, muss ihre Vorfreude auf einen ruhigen Schlaf etwas dämpfen: „Die Möglichkeit, dass die Stadt die Familienhäuser aufkauft, wird diskutiert. Bis jetzt ist es noch zu keiner konkreten Abmachung gekommen.“

Seit dem 13. Oktober steht in der Maticni-Straße eine Mauer. Diese soll zwei, hauptsächlich von Roma bewohnte Sozialblöcke von den gegenüberliegenden Familienhäusern der weißen, im Magistratsjargon „anständigen“, Tschechen abtrennen. Sollte die Stadt nun tatsächlich deren Häuser kaufen, will sie vielleicht eine Polizei- und Sozialarbeiterstation dort einrichten und voraussichtlich auch die Mauer, dann ja überflüssig, abreißen.

Roma-Aktivisten sehen diesen letzten Schachzug von Stadt und Staat nicht als zufriedenstellende Lösung an: „Das ist doch auch wieder Rassismus. Die Gadzos, die Weißen, klären die Sache unter sich selbst“, meinte Roma-Aktivist Petr Jano gegenüber der taz. „Man geht einfach weg, anstelle zu versuchen, das Problem zu lösen.“

Seit einer Woche kampieren er und andere Aktivisten, Roma wie Gadzos, hinter der Mauer in der Maticni, um dadurch gegen sie zu demonstrieren: „Wir werden hier bleiben, bis die Mauer fällt“, sagt Jano. Morgen werden sich die Roma-Sprecher mit Premier Zeman treffen. „Da hoffen wir, dass er uns klar zusagt, dass die Mauer abgerissen wird“, so Jano.

Wenn das erst einmal geschehen ist, wollen sie die Regierung dazu bewegen, eindeutige Schritte einzuleiten, mit denen sie der Rassendiskriminierung in Tschechien entgegentreten wird. Denn eigentlich ist die Mauer von Usti dafür ein Symbol und gleichzeitig nur die Spitze des Eisbergs.

Ulrike Braun