■ QUERBILD
: Sieben

Es fängt sehr vielversprechend an: Einer der aufregendsten Titelvorspänne der letzten Zeit vermittelt ein intensives Gefühl von Zerrissenheit und Brüchigkeit. Auch die Kamera zieht die Zuschauer in eine düstere Szenerie, erzeugt eine Atmosphäre unbestimmter Bedrohung. Sieben ist handwerklich exzellent gemacht, keine Frage. Das ist die Story: Zwei Polizisten, ein alter und ein junger, jagen einen Ritualmörder. Nur langsam kommen sie hinter sein System. Stets ist der Gesuchte ihnen einen Schritt voraus. Schon hundertmal gesehen? Klar. Aber das wäre grundsätzlich kein Problem. Das Problem bei Sieben ist die untergründige Motivation der Geschichte. Eine Mordsgeschichte ist dann am erschreckendsten, wenn sie die Zuschauer mit ihrer eigenen Mordlust konfrontiert und unter deren zivilisatorischer Hülle die Bestie kitzelt. Dieses Nebeneinander von kultiviertem Auftreten und animalischer Begierde in einer Person ist das eigentlich Faszinierende am Schweigen der Lämmer – einem Film, der uns nicht die Illusion gönnt, das Raubtier in uns jemals besiegen zu können, wohl aber, es einigermaßen zu beherrschen.

Vor einer solchen Auseinandersetzung schreckt Sieben zurück. Die Handlung wird nicht durch die inneren Widersprüche der Charaktere vorangetrieben, sondern die Akteure folgen gezwungenermaßen der Konstruktion der Geschichte. Die zu Beginn versprochene Brüchigkeit bleibt reine Oberfläche. Wenn dann am Ende, motiviert durch eine unglaubhafte Wendung, einer der Polizisten selbst zur Bösartigkeit getrieben wird, hat diese Tat nichts Verstörendes, Abgründiges. Innerhalb des Aufbaus der Geschichte ist sie schlicht folgerichtig. Am schlimmsten aber ist: Das Erschrecken für den Zuschauer hat damit ein Ende – wo es doch jetzt erst beginnen müßte.

Wenn man mit einem Scheißgefühl aus dem Kino kommt, kann das unterschiedliche Gründe haben. Manchmal liegt es einfach daran, daß man einen Scheißfilm gesehen hat. Sieben ist jedoch ein virtuoses, modern gestyltes Plädoyer für Lynchjustiz und Todesstrafe, dem ich nicht folgen will.