Das rote Gold des Gatinais

■ Das Luxusgewürz Safran wird südlich von Paris wieder angebaut. Vor Fälschungen wird gewarnt , beispielsweise in der Ausstellung zur Geschichte des Gewürzes

In Corbeilles blühen die Krokusse im Herbst. Anne Marie Fouguin pflückt zur Erntezeit im Oktober jeden Morgen mit ihren Helfern tausende der lila Winzlinge. „Die Blüten dürfen noch nicht ganz offen sein“, erklärt sie, „sonst kleben die Narben an den Blütenblättern. Das mindert die Qualität.“ Und auf die erstklassige Qualität ist die Präsidentin der Safraniers-Vereinigung des Gatinais stolz. Zu Hause häuft sie die Blüten auf den Tisch, biegt sie einzeln auseinander und zwickt mit dem Fingernagel die feinen roten Narben heraus.Tausende der lila Blumen gehen durch ihre Hand, dann wird die federleichte rote Ernte getrocknet und in kleine Dosen gefüllt. Die kleinste Dose mit 0,2 Gramm kostet 45 Francs.

Vom Safran kann sie zwar trotz der hohen Preise nicht leben – im Hauptberuf baut sie mit ihrem Mann Getreide an –, aber lassen kann sie ihn auch nicht mehr. Mit ihr sind es elf Produzenten, die knapp hundert Kilometer südlich von Paris, im Gatinais, das teuerste Gewürz der Welt anbauen.

Mit dem Safrananbau belebten die Bauern eine alte Tradition. Vor gut hundert Jahren war Boynes, heute ein kleines Dorf, europäische Safranhauptstadt. Deutsche und Holländer kamen alljährlich im Oktober zum Markt, es wurde gefeiert und gehandelt. Der harte Winter von 1880/81, Krankheit und Konkurrenz zwangen den Anbau nieder. Vor zehn Jahren erinnerte sich ein Professor der Landwirtschaftsschule von Beaumont-sur-Rolande der jahrhundertealten Tradition und regte einige Bauern an, sie wieder aufzunehmen. Sie flogen 50.000 Krokuszwiebeln aus Kaschmir ein und begannen neu. Ein liebevoll eingerichtetes Museum erinnert in Boynes an diese Zeit. Hier sind alte Fotografien und Maschinen ausgestellt , im Hof ist ein kleines Demonstrationsfeld mit Krokussen angelegt. Ausstellungstafeln berichten von der Geschichte des „roten Goldes“. Fälschungen spielen damals wie heute eine große Rolle. Betrüger fälschten Safran von jeher durch Beimischungen ähnlich aussehender Distelblüten, gelb färbenden Pulvers oder sie erhöhten das Gewicht mit Ölzusätzen. „Manch einer kauft auch heute in Marseille billigen Safran und glaubt, ein Schnäppchen zu machen. Nur ist das meiste kein Safran, sondern Kurkuma“, warnt Anne Marie Fouquin. Im 15. Jahrhundert wurden Safranfälscher exekutiert oder mit ihrer Ware lebendig begraben. Zum Schutz gegen importierte Fälschungen wurde in Nürnberg im 14. Jahrhundert eine städtische Schauanstalt für Safran eingerichtet und ein Reinheitsgebot erlassen. Heute wird durch chemische Analysen und Fotospektrometer den Fälschern das Handwerk gelegt. Die Geschichte der „Königin der Gewürze“ ist aber nicht nur eine Geschichte der Fälschungen. Das Färbe-, Gewürz- und Heilmittel ist schon seit Jahrtausenden bekannt. Als Zeus sich in Stierform Europa näherte, erntete die gerade Safran, „des goldenen Krokus duftendes Haar“. Herkules hatte safrangelbe Windeln und die Römer badeten in Safranwasser.

Safran färbt , würzt und macht „Begierde zur Unkeuschheit“. Zu viel des Guten ist giftig, zehn Gramm seien tödlich, heißt es. Das Restaurant Table de St. Loup in Cepoy, eine Empfehlung von Anne Marie Fouquin, floriert. Hervé und Nicole Ryst kennen die Mengenbeschränkung . Ihre Loire-Forelle in Safran und Cidre ist bestens bekömmlich. Kein safranbitteres Ende, sondern „Begierde auf mehr“ ... Maike Rademaker

Informationen: Der Ort Montargis ist über die N 7 Paris – Lyon oder über Sens zu erreichen. Anne Marie Fouquin, „La champagne“, 45490 Corbeilles-en-Gatinais, Tel.: (00332) 38 92 23 67, Fax: (00332) 38 96 47 89. Voranmelden! Maison du Safran: 21, Rue de Pithiviers, 452300 Boynes La Table des St. Loup, 4-6, rue St. Antoine, Cepoy (5 Kilometer von Montargis). Tel.: (00332) 38 85 83 35, Fax: (00332) 38 98 98 45.