Stahlhelme im Alten Land

Antifaschisten fordern Ende des Neonazi-Treibens vor den Toren Hamburgs. Nazi-Anwalt Rieger mischt auch mit  ■ Von Andreas Speit und Peter Müller

Die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ (VVN) hat von der niedersächsischen Landesregierung das Verbot des neofaschis-tischen Vereins „Stahlhelm – Kampfbund für Europa“ gefordert. Die militanten Rechtsradikalen unterhalten bei Jork im Alten Land ihr Schulungszentrum „Franz Steldte-Haus“, das Ausgangspunkt für „Biwaks und Wehrkreuzsportprüfungen“ ist.

Der Verein versteht sich als „national, völkisch, antisemitisch und revisionistisch“ und unterhält enge Kontakte zur militanten Neonazi-szene. Während die Rechtsradikalen im Süden der Republik schon längst in das Visier des Staats- und Verfassungsschutz geraten sind, können sie sich bislang bei Hamburg unbehelligt tummeln.

Auch der Hamburger Neonazi-Anwalt Jürgen Rieger steht in Kontakt mit dem „Stahlhelm“. Rieger traf sich mit dessen zweitem „Bundesführer“ Hans-Jürgen Hertlein jüngst in Rheinland-Pfalz, um die weitere Marschroute abzustimmen. Über Details wollte Hertlein der taz allerdings nichts erzählen: „Kein Kommentar.“ Dabei hätte Rieger gar nicht so weit fahren müssen. Denn die Zentrale befindet sich seit 1983 nahe der Hamburger Landesgrenze in Jork, wo auf einem Gutshof-Gelände regelmäßig Schulungen und militärische Übungen stattfinden.

Der Verein ist in den 50er Jahren wiederbelebt worden und steht in der Tradition des Namensgebers ihres Hauses, Franz Seldte, der 1918 den „Stahlhelm“ gegründet und 1933 in die SA eingegliedert hatte. „Das oberste Ziel ist die Wiederherstellung des Deutschen Reiches in seinen historischen Grenzen und die Wehrfähigkeit der deutschen Jugend“, betont der Jorker „Bundesführer“ Gunter Drückhammer. „Aufklärung über Umerziehung und Multiunkultur“ seien ein weiteres Ziel. Nach bestandener Prüfung verleihen Drückhammer oder sein Sohn Kai-Uwe, der „Landesführer“ von Hamburg ist, den Absolventen ein „Stahlhelm-Wehrsportkreuz“. Stefan Bliesner aus der Tostedter militanten Neonazi-Szene erhielt zum Beispiel 1998 das Ehrenzeichen aus Bronze.

Dass die Wehrsportübungen keine Trockenübung sind, offenbarten im Januar und März 1998 Hausdurchsuchungen bei Mitgliedern des rund 100 Personen starken Vereins. Die Polizei hatte Maschinenpistolen, Gewehre, selbstgebaute Minen, Spreng- und Brandvorrichtungen gefunden. Bislang unbehelligt unterhält der Verein auch auf dem Jorker Gelände einen eigenen Schießstand.

Gegen zahlreiche Mitglieder laufen derzeit Ermittlungsverfahren wegen Land- und Hausfriedesbruch und wegen Verstoß gegen das Waffen- und Kriegswaffenkontrollgesetz. Zwar bestätigt das Bundesinnenministerium, dass „Stahlhelm“ eine „rechtsextremistische Organisation“ ist, aber da der Verein „bundesweit“ unbedeutend sei, würde er seit 1975 nicht mehr im Bundesverfassungschutzbericht erwähnt.