Stoßgebet kurz vor dem Absturz

■  Wende bei den Ermittlungen zum Boeing-Absturz: Die Egypt-Air wurde wahrscheinlich von einem der Piloten mit Absicht zum Absturz gebracht. Das FBI übernimmt Ermittlungen

Washington (AFP/taz) – Die Vorgänge im Cockpit deuten nun doch auf einen kriminellen Hintergrund des Absturzes der Egypt-Air-Maschine vor der Ostküste der USA hin. Die Bundespolizei FBI zog gestern die Ermittlungen an sich, wie der Nachrichtensender CNN berichtete. Zuvor hatten die Experten der US-Verkehrssicherheitsbehörde NTSB den Datenschreiber und den Stimmenrecorder des Flugzeuges synchronisiert. Danach deutet nun alles darauf hin, dass der Sturzflug absichtlich herbeigeführt wurde. Bei der Auswertung der beiden Aufzeichnungen stellten die Behörden fest, dass eine Tür schlug und eine Stimme im Cockpit möglicherweise ein Stoßgebet sprach, bevor der Autopilot ausgeschaltet wurde und der Sturzflug der Boeing 767 begann. Sinngemäß habe einer der beiden Piloten vom Weg in den Tod gesprochen.

Es liege nahe, dass der Kopilot den Absturz verursacht und der Pilot später vergeblich versucht habe, die Maschine wieder hochzuziehen, hieß es in den US-Medien. Die ausgeführten Manöver sind nach Aussagen erfahrener Piloten mit keinerlei Notfallszenario oder technischem Defekt zu erklären. Zudem sei, wie der Fernsehsender CBS berichtete, auf den Tonbändern der Ausruf festgehalten: „Was ist denn hier los?“

Bisher hatten die ermittelnden Behörden im Dunkeln getappt. Der entscheidende Ermittlungsschritt erfolgte offenbar am Montagabend, als es den Experten gelang, die Daten der beiden Flugschreiber zusammenzuführen und dadurch ein klareres Bild von den letzten Minuten von Flug 990 zu gewinnen. Zudem wurden Spezialisten für arabische Dialekte hinzugezogen. Dass in einem Cockpit während eines aufgezeichneten Fluges nicht Englisch gesprochen wird, ist sehr ungewöhnlich.

Die neuen Erkenntnisse führten zu folgender Hypothese: Während einer der Piloten kurz das Cockpit verließ, schaltete der andere den Autopiloten aus und lenkte die Maschine nach unten. Sekunden später kam wahrscheinlich der Kapitän zurück und versuchte, den Sturzflug aufzuhalten. Doch der Kopilot konterkarierte die Rettungsversuche und schaltete die Triebwerke ab. Darauf deutet hin, dass die beiden Höhenruder in unterschiedliche Richtungen zeigten und dass einer der Piloten rief: „Zieh mit mir, zieh mit mir!“ An dieser Stelle enden offenbar die Aufzeichnungen der Flugschreiber.

CNN berichtete unter Berufung auf US-Regierungskreise, die US-Behörden hätten ägyptische Regierungsstellen und die Hinterbliebenen der Opfer bereits davon informiert, dass die Federführung der Untersuchung nun nicht mehr bei der NTSB, sondern beim FBI liege. Der Stabwechsel sollte noch gestern offiziell bekannt gegeben werden. NTSB-Chef Hall hatte am Montag erklärt, aufgrund der Auswertung der Flugschreiber werde geprüft, ob die Untersuchung in der Hand seiner Behörde bleiben solle. Eine Entführung, einen Piloten-Selbstmord oder einen Streit zwischen Pilot und Kopilot wollte er nicht mehr ausdrücklich ausschließen.

Die Egypt-Air-Maschine war am 31. Oktober auf dem Weg von New York nach Kairo in den Atlantik gestürzt. Der Sturzflug war dermaßen abrupt, dass in der Kabine kurzzeitig Schwerelosigkeit herrschte. Hinweise auf technisches Versagen wurden bislang nicht gefunden. Alle 217 Insassen kamen bei der Flugzeugkatastrophe ums Leben.