USA wollen nicht länger rückständig sein

■  Präsident und Republikaner einig über Begleichung von UN-Schulden. Bedingung: Keine US-Gelder für Programme, die Abtreibung als Familienplanung propagieren. Kofi Annan: „Schritt in die richtige Richtung“

Washington (taz) – Die USA sind nach langer innenpolitischer Blockade nun doch bereit, ihre Schulden bei der UNO zu zahlen – oder doch wenigstens einen Teil davon. Das Weiße Haus und die Republikaner erzielten am Montagabend eine vorläufige Einigung über die Bereitstellung von 926 Millionen US-Dollar für die Weltorganisation. Allerdings hat die Freigabe der Gelder durch den Kongress ihren Preis: Die Republikaner setzten durch, dass im für zehn Monate geltenden Haushaltsgesetz festgeschrieben wird, dass US-Gelder nicht an internationale Organisationen fließen dürfen, die Abtreibungen als Teil der Familienplanung propagieren. US-Präsident Bill Clinton hatte gegen solche Klauseln in der Vergangenheit stets sein Veto eingelegt. Der Kompromiss wurde in langen Verhandlungen am Wochenende und am Montag zwischen Repräsentantenhaus und Weißem Haus erzielt. Bis Ende dieses Jahres haben die USA maximal bis zu 550 Millionen Dollar in Aussicht gestellt.

UN-Botschafter haben es gestern begrüßt, dass die USA die längst fälligen Schulden zahlen wollen. UN-Generalsekretär Kofi Annan bezeichnete die Vereinbarung als „positive Entwicklung“. „Es ist ein Schritt in die richtige Richtung“, sagte Annan gestern bei einem Besuch in Peking. Doch decke die Zahlung nicht alle US-Schulden. Nach Berechnungen der UNO stehen die USA bei der Weltorganisation mit 1,6 Milliarden Dollar in der Kreide – fast das Doppelte der jetzt vereinbarten Summe. Die UNO beruft sich auf Verträge, denen zufolge die USA 25 Prozent des regulären UN-Budgets und 31 Prozent der Kosten für friedenserhaltende Missionen zu tragen haben. Der US-Kongress hatte diese Beiträge einseitig gekürzt, weil die USA Desorganisation, Verschwendung und Vetternwirtschaft bei der UNO kritisierten.

In komplizierten Verhandlungen mit dem Senat war im letzten Jahr bereits ein Schlüssel für die Rückzahlung von Schulden zustande gekommen, der die 960 Millionen Dollar für einen Zeitraum von zehn Monaten freigab. Doch der Deal scheiterte an einem Mann namens Christopher Smith. Der republikanische Abgeordnete im Repräsentantenhaus, der sonst bei seinen Kollegen auf dem Demokratischen Flügel eher populär ist, weil er sich vehement für Menschenrechte und eine Erhöhung des Mindestlohns einsetzt, bestand darauf, dem Haushaltsgesetz einen Zusatz hinzuzufügen, der die Verwendung des amerikanischen UNO-Beitrags für Familienplanungsorganisationen verbot, die sich für Abtreibung einsetzen; die Ausgabe von US-Geldern für die Durchführung von Abtreibungen ist bereits seit 1973 verboten. US-Präsident Bill Clinton legte letztes Jahr wegen dieser Beschränkung sein Veto gegen das Haushaltsgesetz ein, und so blieben die UNO-Schulden der USA ein weiteres Jahr unbezahlt.

Im nächsten Jahr aber hätten nach Satzung der UNO die USA ihr Stimmrecht in der Vollversammlung verloren, weil sie bereits im zweiten Jahr mit ihren Beitragszahlungen säumig geworden wären. Dieses Jahr wollte Clinton die UNO-Frage vom Tisch haben, und so kam es zu dem Deal. Die Clinton-Regierung spielt die Bedeutung der Einschränkung herunter. Sie ist zeitlich auf die Dauer des Haushaltsjahres 2000 beschränkt, und der Präsident kann sich durch präsidentielle Verfügung über sie hinwegsetzen.

Die Kompromiss zwischen Repräsentantenhaus und Weißem Haus ist sofort zum innenpolitischen Zankapfel und zum Thema im jetzt schon beginnenden Wahlkampf 2000 geworden. Al Gore als Vizepräsident und Teil der Regierung distanzierte sich in seiner Eigenschaft als Präsidentschaftskandidat sogleich von der Regelung und sagte, er sei „dagegen, die Rechte von Frauen als Verhandlungsmasse“ zu verstehen.

Bill Bradley, Gores schärfster Konkurrent bei der Bewerbung um die demokratische Präsidentschaftskandidatur, ließ wissen, dass er sein Veto eingelegt hätte. George W. Bush, zur Zeit noch aussichtsreichster Bewerber um die republikanische Präsidentschaftskandidatur, befürwortete die Streichung von Geldern für Familienplanungsorganisationen, eine ursprünglich von Ronald Reagan 1983 verfügte und von Bill Clinton 1993 annullierte Weisung. Peter Tautfest

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