■ Soundcheck
: Horace Andy

Heute: Horace Andy. „Ich wollte immer diese Sorte Musik ausprobieren, aber auf Jamaika gab es niemanden, mit dem man das hätte umsetzen können“, antwortete Horace Andy einst auf die Frage, wie ein traditioneller Reggaesänger wie er bei den Bristoler Trip-Hoppern Massive Attack anheuern konnte. Für Massive Attack dagegen war die Zusammenarbeit nur folgerichtig: In Produktionsmethoden und Sound waren sie beim Reggae hochverschuldet und die Verpflichtung Horace Andys erschien als adäquate Verneigung gen Jamaika. Am Anfang seiner Karriere bewunderte Andy die großen Soulstimmen des Reggae wie Ken Boothe oder Alton Ellis und setzte alles daran, sich in deren Crooner-Tradition einzureihen. Sein erster großer Hit „Skylarking“ propagierte die positiven Werte dieser Vorbilder: Einkehr und Disziplin als individualistische Alternative zu Ghetto und Gefängnis.

Seine weitere Karriere auf Jamaika war typisch für Sänger, die an der Schwelle zum internationalen Durchbruch standen, diese aber nie überschritten. Unmengen exzellenter Singles pflasterten seinen Weg und doch war seine künstlerische Freiheit von der Gunst der Produzenten eingeschränkt. Seit 1977 hatte er Kontakte nach New York geknüpft und Anschluss zum Wackies-Label des ausgewanderten Jamaikaners Lloyd Barnes gefunden. 1982, auf Jamaika stand das Ende von Dub-Reggae unmittelbar bevor, wurde in New York noch kreative Traditionspflege betrieben. Eine sublime Verschiebung der Akzente in Richtung Minimalismus und Deepness lag Andys bei Wackies veröffentlichten Dub-Album Dance Hall Style zugrunde.

Eine gelungene Platte, die 15 Jahre später zu einem überraschenden Einflussgeber für die Techno-Soundforscher des Berliner Labels Rhythm & Sound in Sachen hypnotischer Deepness wurde. Von der Verehrung durch elektronische Musik unbeeindruckt, gibt sich Andys aktuelles Album Living In The Flood traditionell – wohlgenährt und im soliden Middle-of-the-Road-Format, von einigen Mit-klatschausrutschern abgesehen. Oder anders: Bristol mag nach Kingston klingen, aber Kingston ganz bestimmt nicht nach Bristol. Nils Michaelis

Mojo Club, 20 Uhr