Größer als Gottschalk“

■  Beim Musiksender MTV soll nun also der Pop-Sportler Stefan Kretschmar für Aufmerksamkeit sorgen („MTV Sushi“, 23 Uhr)

Sushi sei ein genialer Mix aus Geometrie, Genuss und Gesundheit, findet das Verdauungs-Organ Schöner Essen. Klingt gut, meint Stefan Kretzschmar, aber „MTV Sushi“ werde besser klingen.

Der Handball-Nationalspieler, wegen seiner individuellen Piercing- und Tattoo-Körpershow als deutsche Antwort auf Dennis Rodman gepriesen (und von Nike zum Werbebotschafter gekürt), soll die Musikfernsehzuschauer ab heute immer donnerstags von 23 bis 24 Uhr abfüttern. Mit lauter kleinen Häppchen, die ausschließlich seinem Geschmack entsprächen: „Zum Beispiel Musik von Marilyn Manson, Statements von Iggy Pop, geile Werbeclips oder Kurzfilme über abgefuckte Typen, die mit einer Kuh in einen amerikanischen Supermarkt einreiten, um frische Milch zu verkaufen.“

Außerdem will sich Kretzschmar auch Gäste einladen, von denen wohl nie zuvor ein MTV-Redakteur gehört hat. Beispielsweise diesen Fotografen, der zu den zahlreichen Freunden gehört, mit denen er in Magdeburg eine „umgebauten Fabrik“ (MTV) teilt. Das liegt schon deshalb nahe, weil die Sendung in Kretzschmars WG-Abteil – mit seiner kubanischen Frau hat er eine separate Wohnung – aufgezeichnet wird. Als weitere Gäste wünscht er sich zudem sein „großes Handball-Vorbild Martin Schwalb oder auch meinen Vater oder meine Oma“. Die hätten mit Musik nichts zu tun, „sind aber für mich interessant und auch gut für für eine coole Show“.

Coolness und Spaß scheinen überhaupt die wichtigsten Kriterien bei der Planung all seiner Aktivitäten, wenngleich der weltbeste Linksaußen sein Image als „Handball-Punk“ nicht nur seinem Outfit verdankt. Mit Sprüchen über „Abzocker-Wessis“ ebenso wie über „Jammer-Ossis“ wurde der 26-Jährige längst zum gern gesehenen Gast in der TV-Welt von Verona bis Harald Schmidt. Bei letzterem wurde er denn auch von MTVs Kreativ-Direktor Thomas Markert entdeckt und angeheuert.

Markert hält Kretzschmar nämlich in Sachen TV-Moderation für „ein absolutes Naturtalent“ und glaubt: „Der wird mal größer als Gottschalk und Schmidt zusammen.“ So einen muss man natürlich hegen und pflegen – oder wenigstens als neueste Provokation des vom Konkurrenten Viva längst in die Enge getriebenen Musikkanals verheizen ... Laut Markert aber kenne Kretschmar zunächst nur eine Vorgabe: „Hauptsache frech.“

Diese Offerte auszuschlagen, hätte der in Ostberlin aufgewachsene Sohn eines berühmten ostdeutschen Handballer-Ehepaares schlicht „bescheuert“ gefunden. Musik ist sowieso meine Leidenschaft, und das Moderieren traue ich mir auch zu“, sagt er sich. Und Neidern, die sich „vielleicht fragen, wieso kriegt gerade der Kretzschmar die Chance bei MTV“, versichert der Jung-Moderator: „Nach der ersten Sendung werden sie es wissen: Weil eben die wenigsten Leute so eine Show machen können.“ Und wenn der Sender doch was zu meckern habe, sei das auch egal. „Dann sage ich eben: Okay, war ein netter Versuch, hat leider nicht funktioniert“, wiegelt Kretschmar ab, vergisst aber auch nicht den Mitbewerber Viva 2 wenig später und ganz unbekümmert als „ebenfalls coolen Sender“ zu lobpreisen.

Und sollte man sich im Hause Gorny tatsächlich ärgern, den vermutlich flippigsten Sportler der Republik nicht selbst engagiert zu haben, war die verpasste Gelegenheit vielleicht nicht die letzte. Schließlich sieht Kretschmar die Branche selbst als ein mögliches Spielfeld nach seiner Handball-Karriere: „Im Musikbiz bleibst du immer relativ jung und cool.“ So cool wie das Bandlogo der US-Metalcombo Danzig, das als eines von (derzeit) zwölf Tattoos seinen Bauch ziert.

Und der Danzig-Frontmann Glenn Danzig habe denn auch schon anfragen lassen, ob er nicht vielleicht mal in Kretzschmars Sushi-Studio kommen könne. Die Spaßpunker Die Ärzte taten es bereits, die Toten Hosen seien ebenfalls interessiert.

Thomas Markert ist deshalb sicher, dass die Sendung „auf jeden Fall funktioniert“ und kann sich auch gut vorstellen, die Marke Kretzschmar bei MTV noch richtig groß aufzuziehen. Dass die von MTV gewährten Freiheiten irgendwo doch begrenzt sein könnten, muss dem erfahrenen Sportler allerdings niemand erzählen. „Solange du gut spielst, kannst du alles machen“, weiß er. „Erfüllst du die Erwartungen nicht, bist du der große Idiot.“ Gunnar Leue