„Unsere Rache an diesen verrückten Finnen!“

■ „Mann, die Gitarre ist so fett, die muss nach vorne, aber wir können diese tolle Orchesterstimme nicht heruntermischen“: Ein Gespräch mit dem Metallica-Gitarristen James Hatfield über die Zusammenarbeit der Metal-Band Metallica mit dem San Francisco Symphony Orchestra

Deep Purple haben schon 1970 vorgemacht, wie Rock und Klassik zusammengehen. Nun sind es Metallica, die einige ihrer Songs mit einem Symphonieorchester neu eingespielt haben. Das Ergebnis: „S&M“, ein Klassikrockalbum, das dieser Tage erscheint, sowie ein Konzert mit den Berliner Symphonikern, das heute abend um 20 Uhr im Velodrom stattfindet.

taz: Ihre chrompolierte Harley macht einen guten Eindruck.

James Hatfield: Oh, vielen Dank, sie ist wirklich ein Schmuckstück.

Wie lange kann man darauf sitzen, ohne dass der Hintern schmerzt?

Das ist weniger ein Problem. Viel schlimmer ist, dass man ständig an die Zapfsäule muss. Der Tank ist so verdammt klein. Der Sitz ist natürlich sehr hart, die Maschine ist ja auch nicht für Langstrecken gedacht, sondern zum Cruisen und für Barbesuche.

Wenn ich Ihnen vor ein paar Jahren erzählt hätte, dass Sie eines Tages mit einem Orchester arbeiten würden, hätten Sie mich ausgelacht?

Keine Frage, das hätte ich.

Was hat Metallica dazu veranlasst, eine Platte wie „S&M“ aufzunehmen? Etwa der Erfolg von Apocalyptica?

(lacht) Ja, das ist unsere Rache an diesen verrückten Finnen! Aber im Ernst: Es ist die Schuld von Michael Kamen. Er kam auf uns zu und meinte: „Ich habe die Idee, ein Sinfonie-Orchester und eine Hardrockband zusammenzubringen. Ihr seid meine erste Wahl.“ Wir meinten nur, ohne groß nachzudenken: „Scheiße, ja klar, Mann!“

Das Schwierigste war, die Songs auszuwählen. Es gibt einige, von denen wir dachten, es ginge nicht, und die sind schlichtweg atemberaubend. Bei „Sandman“ zum Beispiel meinten wir: „Die Leute mögen den Song und wollen vielleicht gar keine Orchesterversion hören“. Dann kommt Kamen mit einer großartigen Partitur, und wir haben es gemacht. „Unforgiven“ hingegen wollten wir unbedingt, doch da konnte Kamen nichts ausrichten.

Ein Song wie „Fuel“ aber wirkt regelrecht überladen ...

Ja, das stimmt. Das Problem ist, dass bei Metallica die meisten Melodien über die Gitarre laufen. Was soll man da mit dem Riesenorchester machen? Diese Sachen zu mischen war schwieriger, als wir uns je vorgestellt hatten. Es war ungefähr so: „Mann, die Gitarre ist hier so fett, die muss nach vorne, aber wir können unmöglich diese Orchesterstimme runtermischen, dafür ist sie einfach zu gut.“ Es gab viel zu beachten, und bei jedem Hören entdeckst du etwas Neues: „Hör mal die Flöten, dreh die mal weiter auf!“ Der reine Wahnsinn. Manches von dem Orchester klingt schon irgendwie komisch. Die Blechbläser wirken wie eine Marschkapelle, und man denkt: „Vielleicht sollte man die nach hinten mischen.“

Was ist das für ein Gefühl, plötzlich mit einem Orchester aufzutreten?

Vorne steht die Band, und im Hintergrund steht die Tribüne mit dem Orchester. Wir wollten mit ihnen umgehen, wie wir es mit dem Publikum tun. Man möchte so nah wie möglich heran und eine gewisse Intimität herstellen. Auf der Tribüne hinter uns waren sie wie ein kleines Publikum. Also rennt man rüber, schmeißt ihnen den Notenständer um und schafft einen gewissen Vibe. Es war auch komisch, während des Gigs durchs Orchester zu spazieren. Die haben bestimmt gedacht: „Wer ist dieser Blödmann, der hier rumlatscht?“

Warum gibt es in Europa nur eine einzige Show mit Orchester? Ist die Produktion etwa zu teuer?

Nein, ich wollte nur nicht noch mehr Shows spielen. Das ist alles. Ich habe Angst, die Erfahrung zu verwässern, indem ich es wieder und wieder tue. Es war cool und es war wie ein Heimspiel – deshalb haben wir's ja auch getan. Aber damit zu touren war nie die Motivation, die dahinter stand. Es waren mehr Auftritte im Gespräch, aber wir haben uns darauf geeinigt, nur zwei Konzerte weltweit zu geben.

Werden Sie mit den Berliner Symphonikern spielen oder mit dem San Francisco Symphonic Orchestra?

Es wird das Berliner Orchester sein – mit Michael Kamen als Dirigent.

Also werden Sie auch proben?

Wahrscheinlich wird es eine Probe geben, aber deren Sinn besteht eher darin, ein Gefühl füreinander zu entwickeln. Für das Orchester ist es kein Problem, die Noten sind ja da. Man muss sich nur an den Sound gewöhnen und eine PA im Opernhaus oder Konzertsaal installieren. Für klassische Musiker ist das wohl sehr ungewohnt.

Hatten Sie nicht selbst eine klassische Klavierausbildung?

Ja, das stimmt. Ich wäre auch lieber draußen gewesen, um mit den anderen Kindern Football zu spielen. Statt dessen saß ich im stinkenden Haus einer alten Lady und übte Klavier. Heute bin ich meiner Mutter dankbar, dass sie mich dazu gezwungen hat, weil es mein Gehör schulte. Es fällt mir heute leicht, etwas nach dem Gehör zu spielen.

Wie ist das, wenn man nach Jahren wieder zu Noten und Partituren zurückkehrt?

Bei Metallica spielen wir nicht vom Blatt, wir arrangieren auch nichts. Ich schau mir die Noten an und denke: „Mann, das konnte ich mal lesen!“ Ich habe es schlichtweg verlernt, weil ich seitdem nie wieder Musik gelesen habe.

Und einen so zweideutigen Titel wie „S&M“ konnten Sie Sich auch nicht verkneifen?

(lacht) „S&M“ bringt es einfach auf den Punkt: Es ist Sinfonie und Metallica. Und für einige Leute ist es ja bestimmt auch die reinste Folter. Uns ist nichts Besseres eingefallen. Ich finde es aber ziemlich cool.

Interview: Marcel Anders