■ Mit dem Ignalina-AKW auf Du und Du
: Litauisches Roulette

Kopenhagen (taz) – Die dänische Regierung will einen Vorstoß innerhalb der EU starten, der zum Ziel haben soll, dass die beiden unsicheren Reaktoren des litauischen Atomkraftwerks Ignalina umgehend abgeschaltet werden.

Anlass für die Initiative ist laut Umweltminister Svend Auken ein kürzlich im dänischen TV 2 ausgestrahlter Beitrag mit dem Titel „Russisches Roulette“. Darin wurden zwar kaum neue Details über die seit längerem bekannten Sicherheitsprobleme der beiden Reaktoren vom Tschernobyl-Typ dargestellt. Dafür erklärte der russische Sicherheitsexperte Wladilen Safonow, der 13 Jahre lang mit der Kontrolle der Sicherheitsstandards von AKWs beschäftigt war, alle Versuche, den Ignalina-Reaktoren neue Sicherheitssysteme „anleimen“ zu wollen, als von vornherein zum Scheitern verurteilt: Schon von Konstruktion und Ausführung her sei Ignalina niemals auch nur ausreichend sicher zu machen: „Man fährt es seit Jahren faktisch blind und hofft, dass nichts passiert.“

Ignalina-Betriebschef Wiktor Sjewaldin widersprach der grundsätzlichen Kritik an der Ignalina-Konstruktion nicht, sprach jedoch von Überbewertung. Safonow kenne die sicherheitstechnische Nachrüstung der letzten fünf Jahre nicht und könne sie deswegen auch nicht beurteilen. Tatsächlich hat Safonow Litauen bereits 1994 verlassen, zur Untermauerung seiner Kritik verwies er jedoch auf öffentlich zugängliche Fachliteratur.

Das Interview hatte ein Nachspiel, noch bevor es gesendet worden war: Am vergangenen Samstag wurde Safonow am Warschauer Flughafen festgenommen, als er das Land verlassen wollte. Begründung: Gegen ihn liege ein Auslieferungsbegehren Litauens vor. Formal wegen angeblicher Schulden in Höhe von etwa 200.000 US-Dollar, die der Atomexperte in Litauen haben soll. Safonow erklärte jedoch, er sei sicher, dass es einen klaren Zusammenhang mit seiner Kritik an den Sicherheitsstandards des litauischen AKWs Ignalina gebe. Erst nachdem sich das dänische Außenministerium eingeschaltet und Safonow einen polnischen Rechtsanwalt besorgt hatte, wurde der Experte wieder auf freien Fuß gesetzt.

Mit einem Rechtsanwalt will Safonow nun klären, ob er in Dänemark politisches Asyl suchen oder weiterreisen will. Diese Ankündigung steht allerdings in gewissem Gegensatz zu Informationen der Tageszeitung Jyllands-Posten, nach der Safonow schon länger unter einem anderen Namen in einem westlichen Land als Atomphysiker arbeiten soll.

Reinhard Wolff