RWE verabschiedet sich aus Großprojekten

■  Der Essener Stromkonzern droht das Ende des Braunkohletagebaus in Garzweiler an. Und den Konkurrenten Energie Baden-Württemberg überlässt er der französischen Electricité de France

Berlin (AFP/taz) – Knapp 60 Milliarden Mark will der Essener Energiekonzern RWE in den kommenden zehn Jahren für Unternehmensaufkäufe investieren, so gestern RWE-Vorstandschef Dietmar Kuhnt vor den Aktionären der Hauptversammlung in Essen. Geld ist also da bei Deutschlands größtem und einflussreichstem Stromkonzern. Doch angesichts der Liberalisierung der Energiemärkte wird sparsamer damit umgegangen als früher.

Eines der prominentesten Opfer des neuen Sparens könnte das umstrittene Braunkohlegebiet Garzweiler II werden. Durch die in dem Steuerpaket der Bundesregierung verankerte Befreiung hochwirksamer Gaskraftwerke von der Mineralölsteuer entstünden „massive Wettbewerbsnachteile“ für Stein- und Braunkohle. „Vor allem würden unsere geplanten Investitionen in die Braunkohle in Milliardenhöhe infrage gestellt“, fügte Kuhnt hinzu. Um die steuerliche Entlastung für die Gaskraftwerke auszugleichen, müssten die Gewinnungskosten für die Braunkohle nochmals um mehr als ein Viertel reduziert werden. „Jede Abmagerungskur hat aber ihre Grenzen“, warnte der Konzernchef.

Von einem weiteren Großprojekt hat sich laut Kuhnt von gestern die RWE komplett verabschiedet: Im Wettbewerb um die Landesanteile am Stromversorger Energie Baden-Württemberg (EnBW) hat der Essener Energiekonzern gestern sein Angebot zurückgezogen. Die EnBW ist einer der vier großen Stromkonzerne Deutschlands. Damit ist der Weg frei für den letzten verbliebenen Bieter, den französischen Atomriesen Electricité de France (EdF).

Die EdF hatte für die zum Verkauf stehenden 25 Prozent Anteile der EnBW 4,7 Milliarden Mark geboten. Das war dem deutschen Mitbewerber RWE zu viel.

Wenngleich die EnBW nie offiziell von einem Wunschpartner EdF gesprochen hatte, so ist dennoch offensichtlich, dass dem Karlsruher Stromversorger der Einstieg der Franzosen sehr gelegen kommt. Denn das aus Badenwerk und Energieversorger Schwaben fusionierte Unternehmen unterhält seit 50 Jahren enge Beziehungen zur EdF. So ist die EnBW nicht nur gemeinsam mit der EdF an großen Wasserkraftwerken am Rhein beteiligt, sondern auch an den französischen Atomkraftwerken Fessenheim (17 Prozent Anteil) und Cattenom (fünf Prozent). Diese Anteile hätte die EnBW bei einem Einstieg von RWE aufgeben müssen.

Zudem hätte ein Einstieg von RWE – sofern das Kartellamt überhaupt zugestimmt hätte – mittelfristig eine Vollfusion bedeutet. Damit wäre aber der heutige Firmensitz Karlsruhe nur noch als Filiale der Essener Zentrale erhalten geblieben – und das wollte bei der EnBW natürlich niemand. Entsprechend bewertet die EnBW die Beteiligung der EdF als „positiv“.

Zeitgleich mit dem Land Baden-Württemberg haben auch die Technischen Werke der Stadt Stuttgart ihren EnBW-Anteil von 8,7 Prozent zum Kauf angeboten. Die EdF will diesen allerdings nicht kaufen. Die Aktien aus Stuttgart wird, wie Branchenkenner vermuten, der französische Gasversorger Gaz de France (GdF) kaufen – was nicht unpassend wäre, weil die EnBW auch im Gasgeschäft mitmischt.

Bernward Janzing,
Reiner Metzger