■ Auf fünf Kongressen stellen in dieser Woche die Delegierten die Weichen für eine künftige Supergewerkschaft der Dienstleister. Verdi wird ab dem Jahr 2001 mit mehr als drei Millionen Mitgliedern die größte Arbeitnehmerorganisation der Welt sein  Von Barbara Dribbusch
: Mit Musik geht alles besser

Diva“ wäre auch nicht schlecht. „Diva“ wie „Die Interessenvereinigung von Arbeitnehmern“. Auch das klingt nach großem musikalischem Auftritt. Doch der Vorschlag kam nicht durch beim Namenswettbewerb. „Verdi“ wie „Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft“ soll die neue Superorganisation heißen. Und „Verdi wird ein großer Wurf“, jubelte gestern Margret Mönig-Raane, Chefin der HBV, auf dem Gewerkschaftstag ihrer Organisation in Würzburg. Fünf Gewerkschaften beschließen in dieser Woche auf fünf parallel tagenden Kongressen, vom Jahre 2001 an zu einer riesigen Supergewerkschaft zu verschmelzen. Beteiligt sind die Gewerkschaften Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV), Handel, Banken und Versicherungen (HBV), Deutsche Postgewerkschaft (DPG), Deutsche Angestellten Gewerkschaft (DAG) und IG Medien. Kommt die Fusion, werden rund 1.000 Berufe in „Verdi“ vertreten sein.

„Es gibt nach meiner festen Überzeugung zu Verdi keine Alternative, die realistischer, sinnvoller und hoffnungsvoller ist“, erklärte Mönig-Raane gestern. „Es ist eine tolle Perspektive, zukünftig im Dienstleistungssektor nicht mehr getrennt, sondern gemeinsam zu handeln.“

Am Mittwoch hatte schon ÖTV-Chef Herbert Mai in Dortmund bei seinen Delegierten für die Fusion geworben. Auf den Gewerkschaftstagen in dieser Woche müssen sie für entsprechende Satzungsänderungen stimmen. Dadurch sollen die beteiligten Gewerkschaften als ersten Zwischenschritt in Eingetragene Vereine umgewandelt werden, die dann wiederum zur Gründungsorganisation von Verdi, gleichfalls einem Verein, gehören. Erst nach dem Gründungskongress im Frühjahr 2001 wird Verdi als neue Gewerkschaft die Arbeit aufnehmen. Die fünf beteiligten Gewerkschaften werden dann aufgelöst.

Auf dem ÖTV-Gewerkschaftstag in Dortmund zeichnete sich gestern schon Zustimmung zu der geplanten Verschmelzung ab. Die Delegierten lehnten Anträge ab, die sich gegen die Fusion wandten. Auch die IG-Medien-Spitze ist sicher, „dass die Delegierten die Fusion nicht mehr kippen werden“, erklärte gestern ein Sprecher der IG Medien. Ähnliches ist von den anderen Gewerkschaften zu hören.

Dennoch gibt es Unmut, und der kommt aus mehreren Ecken. Kreisdelegiertenkonferenzen innerhalb der ÖTV befürchteten in ihren Anträgen, dass sich der Einzelne durch eine Supergewerkschaft mit mehr als drei Millionen Mitgliedern nicht mehr vertreten fühlen könnte. Auch innerhalb der IG Medien gibt es eine kleine Gruppe, die für einen Ausstieg aus der Fusion plädiert. Mancher befürchtet eine Entpolitisierung der Gewerkschaftsarbeit durch die künftige Verschmelzung.

Von den Gewerkschaftsvorsitzenden jedoch wird die Verschmelzung zu Verdi politisch und praktisch begründet. Ziel der Fusion sei, „Stärke, um angesichts von Globalisierung und wirtschaftlicher Konzentration Interessen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern langfristig wahren zu können“, erklärte ÖTV-Chef Mai in seiner Rede zu Beginn des Gewerkschaftstages. Nach innen gelte das Ziel, „für Mitglieder mehr Service zu bieten“, „neu entstehenden Berufe und Branchen besser aufnehmen“ zu können und „Konkurrenzen zwischen Gewerkschaften abzubauen“.

Verdi soll die Mitglieder in 13 Fachbereiche aufnehmen. Dabei werden Fachbereiche gebildet, die sich auch an die neuen Berufe etwa in Call-Center und in der Software- und Multimedia-Branche wenden. Gewerkschaftssekretäre, die dann speziell für diese Unternehmen zuständig seien, könnten diese neuen Berufsbereiche dann besser betreuen als bisher, erklärte ein ÖTV-Sprecher.

Damit entwickelt sich Verdi zu einer schärferen Konkurrenz der IG Metall. Beide Mammutgewerkschaften werden künftig im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) vertreten sein. IG Metall Chef Klaus Zwickel hat schon gefordert, dass jene Gewerkschaften, die künftig zu Verdi verschmelzen, ihren Organisationsbereich nicht in den der IG Metall ausweiten dürften. „Für die Metall- und Elektronindustrie und die produktionsnahen Dienstleistungen in dieser Branche ist und bleibt die IG Metall die zuständige Gewerkschaft“, so Zwickel in einem Zeitungsinterview. In einzelnen Unternehmen der IT-Branche ist sowohl die IG Metall als auch die DAG aktiv.

Der Befürchtung, dass Verdi künftig nur noch eine Art Service-Unternehmen für Mitglieder werden könnte und damit an gesellschaftspolitischer Bedeutung verlöre, trat gestern HBV-Chefin Mönig-Raane entgegen. „Es geht darum, gemeinsam mit anderen Gewerkschaften im Dienstleistungssektor schlagkräftiger und durchsetzungsfähiger zu werden“, rief sie den Delegierten auf dem Gewerkschaftstag zu. „Neue Kraft müssen wir auch deshalb entfalten, weil wir politisch wirksamer werden müssen – und das gilt für die Sozial- wie Gesellschaftspolitik!“ Mönig-Raane kündigte schon jetzt verstärkte Zusammenarbeit an. In den kommenden Monaten werde man den Kampf für den Ladenschluss „gemeinsam mit den anderen vier Gewerkschaften“ organisieren. Im Gegenzug will die HBV den Widerstand der ÖTV, DPG und DAG gegen eine „Nullrunde“ für den öffentlichen Dienst unterstützen.